Christine
Wie sehr man Menschen vermissen kann, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind. Die beste Zahnärztin, den grantelnden Schuhmacher ums Eck, die Blumenfrau vom Bauernmarkt. Heute verlässt uns so ein Mensch.
Die „Krontschi“ist ja mitunter ein Irrenhaus. Jeder glaubt, er sei der Einzige und Wichtigste. Da tat es gut, wenn im „Espresso“jeder sein Lächeln abholen konnte. Von Christine, die eine unbestechliche Instanz war. Für sie war nämlich JEDER was Besonderes. Sonst hätte sie nicht von früh bis spät Spezialwünsche erfüllen können. Einmal Becherkaffee mit heißer Milch, aber bitte jaaa keinen Schaum! Meine Schnitzelsemmel, du weißt schon, aber ohne das unnötige Salatblatt. Für mich Latella, und sie fuhr fort: „Mit einem halbvollen Glas lauwarmem Leitungswasser zum Verdünnen. Bitte sehr!“Und dann erzählte man ihr, woran man gerade schrieb.
Heute ist Christines letzter Tag. 42 Jahre lang hat sie in Kantinen und Bäckereien geschuftet. Kisten und Bierfässer geschleppt, Töpfe und Kühlschränke geputzt. Arbeitszeiten: Von vier Uhr morgens bis spät nach Mitternacht war alles dabei, Wochenenden inklusive. „Aber“, betont sie, „ich hab es immer gern gemacht.“
Morgen geht’s, mit 57, ab in die „Hacklerpension“. Was wirst du machen, wenn du endlich nicht mehr arbeiten musst?, hab ich Christine gefragt. Ihre Antwort hat mir die Sprache verschlagen. „Einfach nur leben“, meinte sie und lächelte.