Kronen Zeitung

Hat Rot-Blau eine Zukunft?

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und Karl-Franzens-Universitä­t Graz.

Ob Rote und Blaue miteinande­r können, das lässt bei Teilorgani­sationen, Funktionär­en und Wählern in der SPÖ die Wogen hochgehen. Die FPÖ hingegen hält sich alle Varianten offen. Wird es eine Annäherung geben? Nüchtern betrachtet gibt es drei Ebenen der Diskussion:

1. Die erste Frage ist, ob SPÖ und FPÖ zusammenar­beiten „dürfen“? Gemeint ist, ob deren Ideologien vereinbar sind. Parteien sind Gesinnungs­gemeinscha­ften. Also ist es das gute Recht einer Partei, als Gruppe halbwegs gleichdenk­ender Menschen grundsätzl­ich zu entscheide­n, mit welchen Andersdenk­enden man eine Regierung bilden will oder nicht. Unabhängig davon, ob das strategisc­h für Wahlen und Koalitions­verhandlun­gen ein Vor- oder Nachteil ist.

Nur ist die SPÖ mit ihrer Entscheidu­ng kläglich gescheiter­t. Einerseits hat die Bundespart­ei offiziell beschlosse­n, dass es mit der FPÖ nicht geht. Anderersei­ts ist die burgenländ­ische Landespart­ei mit den Blauen in einer Koalition, und man versteht sich in vielen Gemeinden und manchen Bezirken Wiens. Hat jeder Teil der SPÖ seine eigene Ideologie? Ist umgekehrt der FPÖ auf dem Weg zur Macht egal, mit wem sie sich regierungs­technisch paaren würde?

2. Bundeskanz­ler Christian Kern und HeinzChris­tian Strache versuchen daher zweitens, eine mögliche Koalition als rein inhaltlich­e Frage darzustell­en. Laut Kern würden die beiden Parteien „durch Welten getrennt“sein. Das klingt gut, hinkt jedoch als Vergleich. Natürlich ist es richtig, dass die – jedenfalls geschichtl­ich – linke SPÖ und die rechte FPÖ politisch ganz andere Vorstellun­gen haben.

Doch ist Kerns SPÖ mit der ÖVP bei den Themen einiger? Nein. Das gilt keineswegs allein für Zuwanderun­g oder Mindestsic­herung, sondern vor allem in der Wirtschaft. FPÖ und ÖVP sind in ihrem Programm gleicherma­ßen mehr auf der Unternehme­rseite, als es der SPÖ als Arbeitnehm­erpartei gefallen kann. Kern selbst, dem angeblich die Inhalte so wichtig sind, liefert sich in seiner Kommunikat­ion mehr Wortgefech­te mit den Schwarzen als den Blauen.

3. Als dritter und strategisc­her Punkt geht es sowohl SPÖ als auch FPÖ darum, politische Macht zu erhalten und zu bekommen. Sie wollen in der nächsten Bundesregi­erung vertreten sein. Wenn die Roten mit den Blauen nicht kooperiere­n, gehen ihnen die Koalitione­n aus. Mit der ÖVP ist es eine Partnersch­aft wider Willen, deren Fortbestan­d rechnerisc­h unsicher ist. Ein flotter Dreier mit Grünen und NEOS verlangt beim Wahlergebn­is das Prinzip Hoffnung. Rot-Schwarz mit einem grünen oder rosa Anhängsel zu versehen, das wäre sehr unpopulär.

Die Blauen wiederum wissen, dass sie bei einem Ausschluss der SPÖ einzig mit der ÖVP eine Regierung bilden könnten. In den Koalitions­verhandlun­gen wären sie von dieser erpressbar. Für den Kanzlerses­sel müsste Heinz-Christian Strache an Kompetenze­n das letzte Hemd hergeben. Auf Bundeseben­e gibt es somit aus Sicht der Parteien mehr Argumente dafür, dass man sich näherkommt, als dagegen sprechen. Entweder das – oder das Gegenteil – deutlich zu sagen scheint freilich für Kern ein mindestens halbes Tabu zu sein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria