Hat Rot-Blau eine Zukunft?
Ob Rote und Blaue miteinander können, das lässt bei Teilorganisationen, Funktionären und Wählern in der SPÖ die Wogen hochgehen. Die FPÖ hingegen hält sich alle Varianten offen. Wird es eine Annäherung geben? Nüchtern betrachtet gibt es drei Ebenen der Diskussion:
1. Die erste Frage ist, ob SPÖ und FPÖ zusammenarbeiten „dürfen“? Gemeint ist, ob deren Ideologien vereinbar sind. Parteien sind Gesinnungsgemeinschaften. Also ist es das gute Recht einer Partei, als Gruppe halbwegs gleichdenkender Menschen grundsätzlich zu entscheiden, mit welchen Andersdenkenden man eine Regierung bilden will oder nicht. Unabhängig davon, ob das strategisch für Wahlen und Koalitionsverhandlungen ein Vor- oder Nachteil ist.
Nur ist die SPÖ mit ihrer Entscheidung kläglich gescheitert. Einerseits hat die Bundespartei offiziell beschlossen, dass es mit der FPÖ nicht geht. Andererseits ist die burgenländische Landespartei mit den Blauen in einer Koalition, und man versteht sich in vielen Gemeinden und manchen Bezirken Wiens. Hat jeder Teil der SPÖ seine eigene Ideologie? Ist umgekehrt der FPÖ auf dem Weg zur Macht egal, mit wem sie sich regierungstechnisch paaren würde?
2. Bundeskanzler Christian Kern und HeinzChristian Strache versuchen daher zweitens, eine mögliche Koalition als rein inhaltliche Frage darzustellen. Laut Kern würden die beiden Parteien „durch Welten getrennt“sein. Das klingt gut, hinkt jedoch als Vergleich. Natürlich ist es richtig, dass die – jedenfalls geschichtlich – linke SPÖ und die rechte FPÖ politisch ganz andere Vorstellungen haben.
Doch ist Kerns SPÖ mit der ÖVP bei den Themen einiger? Nein. Das gilt keineswegs allein für Zuwanderung oder Mindestsicherung, sondern vor allem in der Wirtschaft. FPÖ und ÖVP sind in ihrem Programm gleichermaßen mehr auf der Unternehmerseite, als es der SPÖ als Arbeitnehmerpartei gefallen kann. Kern selbst, dem angeblich die Inhalte so wichtig sind, liefert sich in seiner Kommunikation mehr Wortgefechte mit den Schwarzen als den Blauen.
3. Als dritter und strategischer Punkt geht es sowohl SPÖ als auch FPÖ darum, politische Macht zu erhalten und zu bekommen. Sie wollen in der nächsten Bundesregierung vertreten sein. Wenn die Roten mit den Blauen nicht kooperieren, gehen ihnen die Koalitionen aus. Mit der ÖVP ist es eine Partnerschaft wider Willen, deren Fortbestand rechnerisch unsicher ist. Ein flotter Dreier mit Grünen und NEOS verlangt beim Wahlergebnis das Prinzip Hoffnung. Rot-Schwarz mit einem grünen oder rosa Anhängsel zu versehen, das wäre sehr unpopulär.
Die Blauen wiederum wissen, dass sie bei einem Ausschluss der SPÖ einzig mit der ÖVP eine Regierung bilden könnten. In den Koalitionsverhandlungen wären sie von dieser erpressbar. Für den Kanzlersessel müsste Heinz-Christian Strache an Kompetenzen das letzte Hemd hergeben. Auf Bundesebene gibt es somit aus Sicht der Parteien mehr Argumente dafür, dass man sich näherkommt, als dagegen sprechen. Entweder das – oder das Gegenteil – deutlich zu sagen scheint freilich für Kern ein mindestens halbes Tabu zu sein.