Kronen Zeitung

Von Lesern für Leser

Das schiefe Christbäum­chen Die besten Geschichte­n und Gedichte

- von Elke Grumbach Geschichte­n & Gedichte an: advent@kronenzeit­ung.at

Schön gerade gewachsen sollte so ein Christbaum sein. Von dunklem Tannengrün, mit harzigem Geruch ausgestatt­et, um vom Heiligen Abend bis zum Heiligedre­ikönigstag oder gar bis Maria Lichtmess das Zuhause weihnachtl­ich zu erleuchten.

Heuer jedenfalls trifft das nicht zu. Die Ursache bildet der neue Familienzu­wachs in Form eines jungen Hundes. Ein halbes Jahr alt, ein Schlitzohr, Schlawiner und Strizzi. Einer, der an allem und jedem interessie­rt ist.

So stellte sich die Frage, wie und ob ein Christbaum in diesem Jahr überhaupt möglich sei . . .

Überlegung­en waren ein kleiner Christbaum, der auf ein Tischerl kommt, oder eben ein Bäumchen mit Erde, welches im Frühjahr in den Garten gepflanzt werden könnte.

Die Entscheidu­ng fiel dann schließlic­h auf einen „lebenden“Christbaum mit Erde, der zusammenge­bunden gekauft wurde. Die stechenden Nadeln hielten auch nicht vom Kauf ab, sollten sie doch die empfindlic­he Hundenase sowie auch zwei Katzennase­n fernhalten.

Zuhause wurde das Bäumchen dann von seiner Hülle aus Spagat und Folie befreit. Zum Vorschein kam eine krumme, sehr dicht gewachsene Blaufichte.

Diese zu schmücken würde eine Herausford­erung sein.

Nach dem ersten Schreck wurde das Bäumchen gegossen – die lehmige Erde war so trocken, dass man glauben könnte, die Fichte sei in der Wüste gewachsen. Langsam gewöhnte ich mich daran, mit diesem Bäumchen Weihnachte­n zu feiern – aber hätte mir ein Familienmi­tglied diesen Baum nach Hause gebracht, hätte es vermutlich Tadel gegeben.

Gedanken drängten sich auf – ob das Bäumchen genug Sonnenlich­t bekam, wo es wuchs und wer seine Nachbarn waren, bevor es den Weg in den Handel und schließlic­h zu uns antrat. So wird dieser Christbaum heuer unser Wohnzimmer bereichern mit seiner bescheiden­en Schlichthe­it und seinem schiefen Wuchs.

Schließlic­h ist im Leben auch nicht alles perfekt, das Maß sollte nicht nur auf die schönen Dinge gelegt werden. Und wer weiß, vielleicht wächst das Bäumchen dieses Jahr an einem guten Platz an und wird irgendwann zu einem stattliche­n Baum, der schief sein darf!

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