Kronen Zeitung

Attentäter tot, aber viele Fragen offen

Haben Behörden versagt? Hatte Amri Helfer? Wie konnte er bis nach Italien entkommen?

- VON EVA LEHNER

Berlin/Mailand. – Nach dem Tod des Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri sind noch viele Fragen unbeantwor­tet. Hatte er Helfer? Wie kam er von Berlin nach Italien? Haben die Behörden den Tunesier unterschät­zt und hätten ihn längst verhaften sollen? Und wie geht es weiter mit der Abschiebun­g sogenannte­r Gefährder?

Auch zu den Weihnachts­feiertagen arbeitet eine dreistelli­ge Zahl von Beamten an dem Fall. Sie sollen auch die Frage beantworte­n helfen, ob es unnötige Verzögerun­gen bei der Fahndung gab? Die Polizei steht in der Kritik, unmittelba­r nach dem Anschlag vom vergangene­n Montag mit zwölf Toten und 50 Verletzten wichtige Hinweise auf den mutmaßlich­en Täter übersehen zu haben. So wurden Geldbörse, Duldungspa­pier und Handy des Täters erst am Tag nach dem Attentat gefunden. Dadurch hatte Amri 24 Stunden Vorsprung. Der Tunesier hatte schon lange Verbindung zum Hildesheim­er Hasspredig­er Abu Walaa und verkehrte im Umfeld der salafistis­chen Prediger Hasan C. in Duisburg und Boban S. in Dortmund. Wegen dieser Kontakte stuften ihn Sicherheit­sbehörden als Gefährder ein, also als Person, der man jederzeit einen Terrorakt zutraut. Trotzdem stellten die Sicherheit­sbehörden eine monatelang­e Überwachun­g von Amri ein.

Informatio­nen über Amri kamen nie an

Nach dem Anschlag schließlic­h reiste Amri mit dem Zug über Frankreich nach Italien, über Tage unentdeckt – trotz europaweit­er Fahndung und internatio­nales Haftbefehl­s.

Italien ist ein Paradebeis­piel dafür, wie schlecht der EU-Datenausta­usch funktionie­ren kann. Amri lebte jahrelang in Italien, saß dort zeitweise in Haft. Informatio­nen darüber kamen nicht in Deutschlan­d an. Die italienisc­hen Behörden betonen, man habe die Daten weitergesc­hickt. Unklar ist, wann das passierte.

In den Ermittlung­en soll auch untersucht werden, ob die Waffe, die der 24-Jährige bei seinem Tod bei sich trug

und mit der er in Mailand den Polizisten Christian Movio an der Schulter verletzte, dieselbe ist, mit der in Berlin der polnische Fahrer des gestohlene­n Lastwagens erschossen wurde. Außerdem geht es darum zu klären, ob Amri ein Unterstütz­ernetzwerk, Mitwisser oder Gehilfen hatte. Am Samstag wurden in diesem Zusammenha­ng in Tunesien drei Verdächtig­e verhaftet, unter ihnen ein Cousin Amris.

In Deutschlan­d hat längst die politische Diskussion über die Folgen des Anschlags begonnen. CSUChef Horst Seehofer machte sich erneut für eine Asylwerber-Obergrenze stark. Zugleich fordern Politiker insbesonde­re aus der CDU/CSU, dafür zu sorgen, dass sogenannte Gefährder unter abgelehnte­n Asylwerber­n schneller abgeschobe­n oder länger in Abschiebeh­aft genommen werden können. Am Freitag hatte bereits Bundeskanz­lerin Angela Merkel auf schnellere Abschiebun­gen nach Tunesien gedrängt, woher Anis Amri stammt.

Debattiert wird auch, ob Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftss­taaten erklärt werden. Bei Bürgern dieser drei Länder könnten damit beschleuni­gte Asylverfah­ren möglich werden.

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Nach dem Attentat mit zwölf Toten wird nicht nur der Weihnachts­markt bei der Gedächtnis­kirche in Berlin verstärkt überwacht.
 ??  ?? Beim Lastwagen, mit dem Terrorist Amri in die Weihnachts­stände fuhr, wurde auch sein Handy entdeckt.
Beim Lastwagen, mit dem Terrorist Amri in die Weihnachts­stände fuhr, wurde auch sein Handy entdeckt.
 ??  ?? Blumen und Kerzen für die Opfer, darunter auch eine Italieneri­n und der erschossen­e polnische LkwFahrer Lukasz Urban.
Blumen und Kerzen für die Opfer, darunter auch eine Italieneri­n und der erschossen­e polnische LkwFahrer Lukasz Urban.
 ??  ?? Sorgfältig­e Spurensich­erung in Mailand, wo Anis Amri bei einer Routinekon­trolle erschossen wurde.
Sorgfältig­e Spurensich­erung in Mailand, wo Anis Amri bei einer Routinekon­trolle erschossen wurde.

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