Kronen Zeitung

Woher kommt die Zuversicht, Frau Oberhauser?

Mit ihrem ungebroche­nen Optimismus ist die an Krebs erkrankte Ministerin „Frau des Jahres“. Sabine Oberhauser (53) über die Kraft der guten Gedanken.

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Alles wird gut! Das ist mein Mantra. Wenn es am Ende doch nicht gut wird, war es noch nicht das Ende.

Sie hat 20 Kilo verloren, aber nicht ihr strahlende­s Lächeln. Sabine Oberhauser beißt noch schnell in ein Keks, bevor sie in einem der orangerote­n Sessel ihres Büros Platz nimmt. Hinter der Ministerin an der Wand hängen gleich drei Tafeln mit der Aufschrift: „Herrin der Lage“. Der Adventkran­z stammt von der Diakonie und hat 24 Lichter – für jeden Tag im Advent war eines dabei.

„Die gute Nachricht ist die bessere“: Dieses „Krone“-Motto hat der Gesundheit­sministeri­n gefallen, und es ist 2016 auch ihr Motto gewesen.

Frau Minister, das Jahr hat mit Terror begonnen, und es hat mit Terror geendet. Wie sieht Ihre Bilanz am Christtag 2016 aus?

Ja, das ist furchtbar… Für mich war 2016 das Jahr der großen Überraschu­ngen, politisch wie privat. Gute oder böse Überraschu­ngen?

Leider nicht die positivste­n. Weltpoliti­sch hat das sogenannte „Establishm­ent“gegen Trump verloren. In Österreich war ein Jahr lang Wahlkampf mit nie da gewesenen Fernsehfor­maten. Dann das wechselhaf­te Jahr für die SPÖ. Als Faymann zurücktrat und Platz für Christian Kern machte, tauchte schon die Frage auf: „Ist man noch Teil des Teams?“Und dann, im Sommer, eine Operation. Damals wurde klar, dass der Tumor wieder zurück ist. Im Oktober der zweite Rückschlag. Der Tumor ging zwar zurück, aber die Therapie hat meinen Darm dermaßen beleidigt, dass er

noch einmal operiert werden musste. Wie geht es Ihnen gesundheit­lich im Moment?

Die Befunde werden immer besser. Das spiegelt sich aber nicht wider in meiner Kondition und in meiner

Kraft. Ich hoffe jetzt sehr auf zwei Wochen Ruhe.

Sie haben trotz Ihrer Krankheit stets Optimismus verbreitet und so auch vielen Krebspatie­nten Mut gemacht. Kostet das nicht auch sehr viel Kraft?

Es ist derselbe Aufwand, ob ich freundlich oder unfreundli­ch bin. Es ist so viel lohnender, das halb volle statt das halb leere Glas zu sehen. Und es tut einem selber so gut! Die positive Energie, die du ausstrahls­t, kommt hundertfac­h zu dir zurück. Immer versuchen, dem inneren Jammerer zu widerstehe­n. Einfach jemanden anlächeln. Das funktionie­rt! In den meisten Fällen lächeln die Menschen zurück. Außerdem hab ich noch viel vor, will mein Leben gestalten. Versuchen, das Beste aus jedem Tag zu machen. Woher kommt die Zuversicht?

Sicher zu einem Großteil aus meinem sehr stabilen Umfeld. Ich habe eine Familie, die super funktionie­rt. Mann, Kinder, Mut-

ter. Aber auch mein berufliche­s Umfeld bestärkt mich.

Abgesehen vom Umfeld, wie motiviert Sabine Oberhauser sich selbst?

Indem ich laut nachdenke. „Es geht vorbei“, ist so ein Satz, der mir hilft. Und wenn ich ihn nicht sage, dann sagt ihn mein Mann. Es gibt ja Tage, an denen es mir wirklich nicht gut geht, das kommt so in Wellen. Selbst an solchen Tagen sage ich mir: „Aber es geht schon viel besser, als es dir vier Tage vorher gegangen ist.“

Als die Nachricht von der neuerliche­n Operation kam, was dachten Sie sich da?

Dem inneren Jammerer widerstehe­n. Jemanden anlächeln. Jede positive Energie kommt zurück.

„Brauche ich das jetzt auch noch?“Es war ein Riesenschr­eck in der Sekunde, aber im selben Moment wusste ich: Das kann man beheben. Und dann hilft mir der Ausspruch: „Alles wird gut.“Das ist mein Mantra. Und wenn es am Ende doch nicht gut wird, dann war es noch nicht das Ende.

Gibt es Momente, in denen keine Kraft mehr da ist?

Wenn die Kraft weg ist, ärgert es mich. Ich raffe mich dann trotzdem auf, suche zum Beispiel barrierefr­eie Wege oder Abkürzunge­n oder einen Lift, und wenn es dann trotzdem nicht geht, macht mich das ratlos. Frau Oberhauser, warum machen Schicksals­schläge die einen Menschen stärker, während andere daran zerbrechen?

Die Medizin kennt dafür das sperrige Wort „Resilienz“. Es bezeichnet die Kraft, mit der man es vom Boden wieder auf die Beine schafft. Dafür sind ganz viele Faktoren maßgeblich. Das stabile Umfeld, die Arbeit, aber auch eine gesunde Lebensweis­e. Die Kernfrage ist: Wie viel Zeit hat jemand, sich mit seinem eigenen Wohlergehe­n zu beschäftig­en? Denn wenn die Familie nix Gscheites zu essen hat und die Stiefel der Kinder nicht warm sind, ist man damit beschäftig­t, die anderen am Leben zu erhalten. Was bleibt, wenn alles wegbricht?

Vielleicht doch der Glaube. „Frau des Jahres“: Hören Sie das gerne?

Für viele Dinge braucht es Menschen, die sich trauen, sich selbst in den Vordergrun­d zu stellen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Familien, wie viele Mütter – ich weiß es auch von einigen, die selbst an Krebs erkrankt sind – zu Hause für ihre kleinen Kinder die Welt aufrechter­halten. Ich bin gerne „Frau des Jahres“, stellvertr­etend für

all jene, die noch schwerere Schicksale zu tragen haben als ich.

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie gesagt, dass der Tod näher rückt. Ist dieses Gefühl intensiver geworden?

Ich konnte mir nie vorstellen, wie ich damit umgehe, falls der Krebs wieder kommen sollte. Ich habe mir gedacht, das würde mich ganz furchtbar beeindruck­en. Und natürlich beeindruck­t es einen. Aber es hält auch den Kampf aufrecht. Der Gedanke an den Tod ist natürlich da. Bekommt Zeit eine andere Dimension?

Gar nicht. Ich mache Schritt für Schritt, Tag für Tag, meine Dinge. Ohne To-do-Listen. Ich hätte, wenn es jetzt zu Ende wäre, nicht das Gefühl, irgendetwa­s in meinem Leben versäumt zu haben. Weil ich ein grenzenlos gutes Leben habe, eine super Familie, keine Sorgen. Hoffen Sie auf ein Jenseits?

Ja. Vielleicht glaube ich sogar daran. Ich weiß nicht, was in dem Fall den Unterschie­d zwischen Glaube und Hoffnung wirklich ausmacht.

Ich bin gern „Frau des Jahres“, stellvertr­etend für jene, die viel schwerere Schicksale tragen als ich.

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