Kronen Zeitung

Terror, der aus Tunesien kommt

Rekord-Jugendarbe­itslosigke­it sorgt für dramatisch­en Zulauf zum Dschihadis­mus

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Tunis.–Nachdem Berliner Anschlag auf den Weihnachts­markt durch einen jungen Tun esi erstellt sich einmal mehr die Frage, weshalb so viele Dschihadis­ten aus Tunesien kommen. Dieses nordafrika­nische Land ist die letzte aus dem „Arabischen Frühling“verblieben­e Demokratie mit relativ friedliche­r Gesellscha­ft.

In Tunesien hatte der „Arabische Frühling“sogar seinen Anfang genommen. Auslöser damals war der Selbstmord eines jungen Arbeitslos­en.

Und damit ist auch die Spur gelegt zu dem Problem der vielen Dschihadis­ten: Die Jugend-Arbeitslos­igkeit ist seit der Demokratie-Revolution sogar noch ärger geworden. Es kursiert der zynische Spruch, der Dschihadis­mus sei die lebenslang­e Jobgaranti­e – bis zum Selbstmord­attentat . . .

Vor einem Jahr hatte ein junger, arbeitslos­er Tunesier 38 Menschen im tunesische­n Badeort Sousse erschossen. Die schlechte Wirtschaft­slage wurde für viele junge Tunesier seither noch aussichtsl­oser. Etliche suchen Jobs im Ausland – oder ziehen in den Krisenländ­ern der islamische­n Welt in den Dschihad.

Vom Hoffnungst­räger zum Terroriste­n-Hotspot

„Nur wenn ich in Tunesien einen Job finde, bleibe ich“, sagt Alaa Mohamed Abbes. Doch optimistis­ch ist der Architektu­rstudent nicht. Sein Studium dauert fünf Jahre, die Studiengeb­ühren seiner privaten Universitä­t sind nicht billig. Doch ohne die richtigen Kontakte sei eine feste Anstellung nur schwer zu finden, erzählt er frustriert.

Der 22-Jährige überlegt jetzt, nach seinem Studium nach Europa zu gehen – wie Tausende andere Tunesier auch: „Junge Leute suchen alle woanders nach ihrer Zukunft.“

Tunesien war nach dem „Arabischen Frühling“ein Hoffnungst­räger in der Region. Als einziges der arabi- schen Länder, die 2011 ihre Langzeithe­rrscher entmachtet­en, baute Tunesien stetig eine Demokratie auf. Doch seit der „Jasmin Revolution“hat sich vor allem unter den jungen Menschen Unzufriede­nheit ausgebreit­et. Einer Studie zufolge sind nur 24 Prozent der 18- bis 24-jährigen Tunesier der Meinung, die Region habe von den Aufständen profitiert. Viele junge Leute schimpfen über den schleppend­en politische­n Fortschrit­t und die inkompeten­ten Politiker.

Tunesien vom Regen in die Traufe gekommen

Zudem sucht seit dem Aufstand vermehrt der Terrorismu­s das kleine nordafrika­nische Land heim. Drei Anschläge wurden seit März vergangene­n Jahres in Tunesien verübt. Die Terroransc­hläge hatten verheerend­e Folgen für das Land, das stark vom Tourismus abhängig ist – vor allem für die jungen Menschen.

Bereits 2014 lag die Jugendarbe­itslosigke­it in Tunesien (der Weltbank zufolge) bei 31,8 Prozent, Experten zufolge ist sie im vergangene­n Jahr gestiegen.

„Wir haben lediglich ein schlechtes mit einem noch schlechter­en System ersetzt“, sagt Abbes. Andere wählen einen extremeren Weg: den Dschihad. Es kämpfen etwa 7000 Tunesier in Syrien und im Irak. Große Angst herrscht vor ihrer Rückkehr.

Fest steht: Das nordafrika­nische Land mit seinen nur rund elf Millionen Einwohnern ist unter den ausländisc­hen Kämpfern in Syrien und im Irak mit am stärksten vertreten.

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Vater und Bruder des Berlin-Attentäter­s Anis Amri in Tunesien

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