Die Psyche des Killers
Zwei Frauenmorde - ein Täter. Verhaltensanalytiker der Polizei vermuten, dass der Gesuchte seine Verbrechen von langer Hand plant. Und er sehr gezielt vorgeht. Bei der Suche nach Tatorten. Und nach seinen Opfern.
Es ist etwa 23.40 Uhr, als Lucile Klobut am Samstag, dem 11. Jänner 2014, ihre Wohnung im Bahnhofsviertel von Kufstein verlässt, um eine junge Türkin - wie sie eine Austauschstudentin
- zu besuchen. Die 20- Jährige weiß: Wenn sie die Abkürzung über die Innpromenade nimmt, wird sie in 15 Minuten bei der Unikollegin sein. Der Mörder malträtierte Lucile auch noch im Tod
Die junge Französin hat keine Angst, den von Laternen beleuchteten und meist auch nachts gut frequentierten Weg einzuschlagen. Um 23.52 Uhr ruft sie noch per Handy ihre Freundin an: „ Ich bin gleich bei dir.“Minuten später ist sie tot.
Ein Mann hat Lucile überfallen, mit einer Eisenstange auf sie eingeschlagen. Bereits der erste Hieb, stellten Gerichtsmediziner später fest, dürfte letal gewesen sein. Dennoch prügelte der Täter weiter auf sein Opfer ein; ein zweites, ein drittes, ein viertes Mal. Danach schleppte er es über eine Böschung, zum Ufer des Flusses - und versuchte, sich an ihm zu vergehen . . .
6. November 2016. Regnerisch ist es an diesem Sonntag im deutschen Endingen. Trotzdem beschließt Carolin Gruber - Winzerei- Angestellte, verheiratet - gegen 15 Uhr, ein wenig zu joggen. Weinberge liegen vor ihrer Haustüre, sie kennt alle Pfade. Und läuft los, wie schon so oft davor.
Vier Tage gilt die 27- Jährige als vermisst, dann wird in einem Waldstück ihre schrecklich zugerichtete Leiche gefunden.
Caroline Gruber - sie wurde mit einer Eisenstange erschlagen und sexuell missbraucht. Wie Lucile Klobut. Auffallende Parallelen. Dass die zwei Morde tatsächlich von ein und demsel- ben Täter begangen worden sind, steht erst seit kurzem fest. „ Es waren“, so der Tiroler Kripo- Chef Walter Pupp, „ komplizierte Laboruntersuchungen notwendig, um die fragmentarischen DNASpuren, die der Mann an den Opfern hinterlassen hatte, abzugleichen.“
Europaweit wird nun nach dem Serientäter gesucht
Ungeklärte, teilweise Jahrzehnte zurückliegende Tötungsdelikte aus ganz Europa werden nun neu überprüft. Bei der Suche nach dem Serienkiller.
Österreichische und deutsche Verhaltensanalytiker
Wir wissen noch nicht, wie viele Taten der Mann tatsächlich begangen - und wann er mit dem Morden begonnen hat.
Tirols Kripo- Chef Walter Pupp
Ich gehe davon aus, dass der Gesuchte überdurchschnittlich intelligent ist und nach außen hin ein völlig unauffälliges, geregeltes Dasein führt.
Gerichtspsychiater Reinhard Haller „ Er verspürt jetzt Angst. Aber er wird weiter töten“
haben mittlerweile ein vorläufiges Profil von ihm erstellt. Die bisherigen Erkenntnisse über seine Psyche:
Der Mann agiert bei seinen Verbrechen sehr planend und kontrolliert - also keinesfalls impulsiv.
Wahrscheinlich wählt er die Tatorte genauso sorgfältig aus wie seine Opfer. Möglich, dass er bestimmte Gegenden, die ihm für seine Delikte geeignet erscheinen, ausgiebig erkundet und die Frauen beobachtet - bevor er zuschlägt.
Sein Beruf? Lkw- Fahrer, so der eine Tipp - wegen der von ihm verwendeten Waffen; Stangen, die zum Anheben von Fahrzeugen verwendet werden. Der Unbekannte könnte aber auch ein Handelsreisender sein. Oder in der Gastronomie arbeiten. Fakt ist schließlich: Sowohl Kufstein als auch Endlingen sind Tourismus- Gebiete.
Es besteht der Verdacht, dass der Mörder Trophäen sammelt. Die Mobiltelefone von Lucile Klobut und Carolin Gruber gelten als verschwunden. Hat der Täter sie als Andenken an seine Opfer behalten, sieht er sich die darauf gespeicherten Fotos von ihnen an und erlebt so immer wieder den „ Kick“, den er bei seinen abscheulichen Verbrechen verspürt haben muss?
Wie diagnostiziert Österreichs bekanntester Gerichtspsychiater - Reinhard Haller - den Gesuchten?
„ Ich gehe davon aus, dass er überdurchschnittlich intelligent ist. Immerhin hat er es lange Zeit hindurch geschafft, völlig unentdeckt zu bleiben - und kaum Spuren von sich an seinen Tatorten hinterlassen.“
Vermutlich sei der Mann der sprichwörtliche „ Wolf im Schafspelz“; ein Mensch, der nach außen hin ein unauffälliges, geregeltes Dasein führt, „ vielleicht sogar von seinem Umfeld als ein treu- sorgender Familienvater wahrgenommen wird: Was seine Ausforschung umso schwieriger macht.“
Kriminalpsychologen zufolge sollen weltweit etwa 120 Serienkiller unterwegs sein, deren Taten in keinen Zusammenhang gebracht werden - in Europa wird ihre Zahl auf etwa ein Dutzend geschätzt. Von Lucile Klobuts und Carolin Grubers Mörder liegt jetzt wenigstens die DNA vor. Wie sich der Täter nun fühlt? „ Er verspürt sicherlich Furcht“, sagt Haller, „ schon eine Blutabnahme nach einem Autounfall könnte ihm ja zum Verhängnis werden.“Aber irgendwann wird seine Lust am Töten wieder übermächtig sein, „ und er wird damit beginnen, nach neuen Opfern zu suchen.“Denn stoppen kann einen Serienkiller nur seine Verhaftung - oder der eigene Tod.