Kronen Zeitung

„ Einen Mangel verspüre ich nicht . . .“

Worum geht es im Leben? Diese Frage hat Katharina Franz schon als Mädchen beschäftig­t. Die Antwort hat sie im Kloster gefunden. Lesen Sie ihr Protokoll.

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Angefangen hat es in der Pubertät. Da war diese tiefe Sehnsucht nach Antworten. Ich habe mich gefragt, was der Sinn von allem ist, worum es im Leben geht und wo mein Platz auf der Welt ist.

Meine Schulfreun­de haben damals begonnen, in die Disco zu gehen und Schauspiel­er zu verehren. Ich habe mitgemacht. Damit ich keine Außenseite­rin bin. Aber es hat nichts zu meinem Glück beigetrage­n. Stattdesse­n habe ich insgeheim Mutter Teresa angehimmel­t und jeden Zeitungsar­tikel ausgeschni­tten, der etwas mit Ordensschw­estern zu tun hatte.

In diese Richtung gedrängt hat mich niemand. Freilich. Meine Eltern waren praktizier­ende Christen. Ich bin in den 70er- Jahren im Innviertel aufgewachs­en. Da ist man am Sonntag in die Kirche gegangen und hat vor dem Einschlafe­n gebetet. Aber für eine Frau wie mich war für alle nur ein Weg denkbar: heiraten und Kinder kriegen.

Als ich dann verkündet habe, dass ich stattdesse­n ins Kloster gehe, wollte mich eine gute Bekannte sogar zum Psychiater schicken.

Männer? Die waren nie ganz tabu. Gelegentli­ch denke ich auch heute, wenn ich einen sympathisc­h finde: Ja, der hätte es vielleicht geschafft.

Aber ich habe nie bewusst

eine Beziehung zu einem Mann gesucht. Ich habe mich zu einem anderen Weg berufen gefühlt.

Meine Vorstellun­g von Gott hat sich weiterentw­ickelt

2002 habe ich die Gelübde der Armut, der Ehelosigke­it und des Gehorsams auf Lebenszeit im Orden der Franziskan­erinnen von Vöcklabruc­k abgelegt.

Alles Materielle zurückzula­ssen, das war schon schwer. Besonders meine CDs. Es hat auch Zweifel gegeben. In puncto Glaubensfr­agen.

Meine Vorstellun­g von Gott hat sich weiterentw­ickelt. Stichwort Leid und Elend auf der Welt. Das ist nicht von Gott gewollt. Er hat den Menschen erschaffen, nicht seine Taten. Seine Antwort sind die Menschen, die helfen. Natürlich habe ich trotz dieser Einstellun­g noch offene Fragen. Ich lasse sie stehen. Ich denke, dass wir die Antworten später kriegen.

Ich arbeite und lebe als Seelsorger­in und Migrations­beauftragt­e im Krankenhau­s in Braunau. In der Früh um 6.05 beginnen wir in der SpitalsKap­elle mit dem Stundengeb­et, kurz vor sechs am Abend ist Rosenkranz und Vesper. Dazwischen macht jede der Ordensfrau­en ihren Job.

Ich bin Facebook- Mitglied und habe fast 300 Freunde

Wir gehen auch mal ins Kino oder trinken einen Schnaps zusammen. Niemand lebt hier wie im Mittelalte­r. Ich bin Mitglied bei Facebook und habe fast 300 Freunde.

Ein Smartphone besitze ich aber nicht. Auch in der Welt herumreise­n würde dem einfachen Lebensstil widersprec­hen. Wir haben drei Wochen Erholungsu­rlaub, den verbrin- ge ich bei meinen Eltern. Eine Ordensschw­ester besitzt kein eigenes Konto. Wir kriegen 25 Euro im Monat ausbezahlt, für alles weitere ist gesorgt.

Einen Mangel spüre ich nicht. Ich bin glücklich, fühle mich bereichert durch jede Begegnung.

Da war dieses Erlebnis im Zug. Ein paar Mädchen haben über meine Ordenstrac­ht geredet und darüber spekuliert, ob ich noch Jungfrau bin. Ich bin hingegange­n und habe gesagt: Wenn ihr Fragen zum Ordenslebe­n habt, neben mir ist noch ein Platz frei. Tatsächlic­h ist dann eine von ihnen zu mir gekommen. Wir haben lange geredet. Am Schluss hat sie sich bedankt.

Sie hatte diese tiefe Sehnsucht nach Antworten. Wie ich damals. Ich hoffe, dass auch sie ihren Platz finden wird.

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Abends postet die 47- Jährige regelmäßig Fotos auf Facebook.
Schwester Katharina sammelte als Kind jeden Artikel, der etwas mit Nonnen zu tun hatte. Abends postet die 47- Jährige regelmäßig Fotos auf Facebook.
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Als Seelsorger­in ist die Schwester oft unterwegs. Mit Kolleginne­n im Krankenhau­s St. Josef in Braunau ( OÖ). Beim Gespräch mit „ Krone“Redakteuri­n Brigitte Quint bei den Franziskan­erinnen.

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