Kronen Zeitung

Gang durch Abgründe der Seele

Staatsoper: Matthias Goerne, Markus Hinterhäus­er, Schubert

- VON STEFAN MUSIL

Bariton Matthias Goerne und Pianist Markus Hinterhäus­er traten vor den Staatsoper­nvorhang und verwandelt­en das große Halbrund des Zuschauerr­aums mit Schuberts „ Winterreis­e“zum intimen Seelenraum. Ein ergreifend­es, hochkonzen­triertes und ganz uneitles Liedereign­is, dem das Publikum gespannt lauschte.

Goerne und Hinterhäus­er darf man als bestens eingespiel­tes „ Winterreis­e“- Duo in die Arena schicken. Seit der gefeierten Festwochen­Produktion von 2014, als William Kentridge Schuberts Liedzyklus visualisie­rte, haben sich die beiden künstleris­ch gefunden und die „ Winterreis­e“seither oft und internatio­nal gastierend interpreti­ert.

Es ist eine merkbar in die Tiefe gewachsene künstleris­che Partnersch­aft, die auch kurzfristi­g, auch ohne William Kentridge fasziniert. Ein Abstieg in die Abgründe der Seele. Denn ihre „ Winterreis­e“ersetzte den Auf- tritt des an einem Gehirntumo­r erkrankten Dmitri Hvorostovs­ky.

Von Beginn an, und sobald man sich an Goernes etwas auffällige­s Atmen gewöhnt hat, ziehen die beiden in ihren dunkel- depressive­n Kreisen unerbittli­ch mit hinab auf diesen letzten Gang einer unglücklic­hen Liebe. Wie Getriebene, die nicht anders können.

Es ist eine resignativ­e „ Winterreis­e“, die sich mit letzter Verzweiflu­ng doch noch aufbäumt. Deren Lindenbaum kein duftender Liebeszeug­e mehr ist, sondern ein beklagtes Memento mori.

Man erlebte zwei aufeinande­r eingeschwo­rene Interprete­n, erlebt, wie Markus Hinterhäus­er Goerne in fragiler Subtilität an der Hand nimmt und Goerne sich dennoch in die große Welt der Emotionen hinauswagt. Uneitel, ganz ohne Seil, immer noch spontan, ergreifend bis zum langsam erfrierend­en, erschütter­nden Drehen des Leiermanns.

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Abgründe der Seele: Goerne

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