Gang durch Abgründe der Seele
Staatsoper: Matthias Goerne, Markus Hinterhäuser, Schubert
Bariton Matthias Goerne und Pianist Markus Hinterhäuser traten vor den Staatsopernvorhang und verwandelten das große Halbrund des Zuschauerraums mit Schuberts „ Winterreise“zum intimen Seelenraum. Ein ergreifendes, hochkonzentriertes und ganz uneitles Liedereignis, dem das Publikum gespannt lauschte.
Goerne und Hinterhäuser darf man als bestens eingespieltes „ Winterreise“- Duo in die Arena schicken. Seit der gefeierten FestwochenProduktion von 2014, als William Kentridge Schuberts Liedzyklus visualisierte, haben sich die beiden künstlerisch gefunden und die „ Winterreise“seither oft und international gastierend interpretiert.
Es ist eine merkbar in die Tiefe gewachsene künstlerische Partnerschaft, die auch kurzfristig, auch ohne William Kentridge fasziniert. Ein Abstieg in die Abgründe der Seele. Denn ihre „ Winterreise“ersetzte den Auf- tritt des an einem Gehirntumor erkrankten Dmitri Hvorostovsky.
Von Beginn an, und sobald man sich an Goernes etwas auffälliges Atmen gewöhnt hat, ziehen die beiden in ihren dunkel- depressiven Kreisen unerbittlich mit hinab auf diesen letzten Gang einer unglücklichen Liebe. Wie Getriebene, die nicht anders können.
Es ist eine resignative „ Winterreise“, die sich mit letzter Verzweiflung doch noch aufbäumt. Deren Lindenbaum kein duftender Liebeszeuge mehr ist, sondern ein beklagtes Memento mori.
Man erlebte zwei aufeinander eingeschworene Interpreten, erlebt, wie Markus Hinterhäuser Goerne in fragiler Subtilität an der Hand nimmt und Goerne sich dennoch in die große Welt der Emotionen hinauswagt. Uneitel, ganz ohne Seil, immer noch spontan, ergreifend bis zum langsam erfrierenden, erschütternden Drehen des Leiermanns.