Kronen Zeitung

Zeltstadt

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Aus der Ferne ist vieles fasziniere­nd, aber kommt man näher, ist dieser Reiz oft wieder schnell verschwund­en - das kann auf Menschen und auf Städte zutreffen, die sich bei genauerem Hinsehen doch nicht als das entpuppen, was sie vorgaben zu sein.

Seattle ist so eine Stadt. Montagaben­d zieht mich die US- Metropole regelmäßig in ihren Bann, wenn „ Grey’s Anatomy“im Fernsehen läuft. Das Funkeln der Lichter bei Nacht, die Space Needle, die mit ihren mehr als 180 Metern herausragt - das lässt Seattle reizvoll wirken.

Doch in „ echt“war ich mit so viel Realität konfrontie­rt, dass ich froh war, nach zwei Tagen wieder von dort wegzukomme­n. Natürlich hat Seattle schöne Seiten, aber das Bild wird geprägt von Menschen, die keine Arbeit und damit kein Geld haben, um sich eigenen Wohnraum zu leisten. Die Fast- Food- Restaurant­s und Läden der Kaffeekett­en werden für die Obdachlose­n zu Aufenthalt­sräumen. Unter Brücken stehen Zelte, in denen sie Unterschlu­pf finden. Auch unweit des Stadions, in dem beim American Football bis zu 67.000 Zuschauer Platz finden, stehen welche. Der Zug, der den Flughafen mit dem Zentrum verbindet, führt direkt am Stützpunkt der Heilsarmee vorbei.

3000 Obdachlose sollen es in einer Nacht gewesen sein, die in Seattle auf der Straße übernachte­ten. Schlaflos in Seattle - der Filmtitel bekommt plötzlich eine ganz andere, traurige Bedeutung.

Barbara Kneidinger, Franziska Trost, Irina Lino und Conny Bischofber­ger schreiben abwechseln­d in der „ Krone“, was sie bewegt.

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