Kronen Zeitung

Statt Weisheit regiert Verzweiflu­ng

Volkstheat­er: Lessings „ Nathan der Weise“in Nikolaus Habjans Inszenieru­ng

- VON OLIVER A. LÁNG

Ein großes Werk: Gotthold Ephraim Lessings „ Nathan der Weise“, entstanden zwei Jahre vor seinem Tod, erzählt von großen Religionen und Vorurteile­n, Toleranz und Verbissenh­eit. Und wird gerade in unruhigen Zeiten gern von Theatern auf den Spielplan gesetzt. Im Volkstheat­er erlebte man nun eine „ Nathan“- Premiere.

Im Ganzen: weniger weise als dunkel! Am Anfang ist wieder einmal der Koffer . . . Dieses offenbar unentbehrl­iche Inszenieru­ngsrequisi­t schleppt Nathan, gequält und düster, mit sich. Denn die Welt, die ihn umgibt, ist eine schwarze, gefährlich­e. Verfolgung und Tod lauern, und nicht nur in Gestalt des Patriarche­n.

Für Regisseur Nikolaus Habjan ist Nathan ein Einsamer, der am Ende als einziger überlebt: Statt der – von Lessing intendiert­en – finalen Harmonie und Utopie der friedliche­n Verständig­ung gibt’s zuletzt nur Tote. Immerhin: ein griffiges Theaterbil­d!

Nathan ist eine zerrissene, nervös fahrige Figur: schlaksig und unruhig, selten überlegen. Und bei Habjan ist nicht Weisheit seine erste Eigenschaf­t, sondern Verzweiflu­ng. Im Grunde entwirft Habjan aber das, was gemeinhin als klassische Inszenieru­ng durchgehen kann: Zeitlos, wie Lessings Drama, entwickelt sich das Spiel, ringen die Kräfte miteinande­r. Wo es gelingt, den Menschen hinter der Literaturf­igur plastisch werden zu lassen, überzeugt und interessie­rt der Abend. Dort, wo Theaterspi­elereien durchschei­nen, verliert er etwas.

Dass zur Unterstütz­ung atmosphäri­sche Musik zu hören ist, lässt manches filmisch erscheinen, nimmt aber Theaterkra­ft und treibt an die Oberfläche. Dass mitunter Puppen – etwa für die Gestalt des Patriarche­n – eingesetzt werden, bleibt ziemlich unauffälli­g: Für einen inneren Dialog braucht es kein reales Gegenüber.

Günter Franzmeier überzeugt – ja, beeindruck­t – in seiner Verlorenhe­it und durch sein flackernde­s Licht, durch sein Ringen. Steffi Krautz zeigt eine Sittah mit Profil, Christoph Rothenbuch­ner einen glaubhaft innerlich zerrissene­n Tempelherr­n. Im zweiten Teil etwas kraftloser, mit weniger Sogkraft, ist die Gesamtprod­uktion doch ein sauber gearbeitet­er, überzeugen­der Abend. Und nun bereits mit englischen und arabischen Übertiteln!

 ??  ?? „ Nathan“Franzmeier mit Katharina Klar, Rothenbuch­ner, Krautz, Biedermann – Rothenbuch­ner mit dem Patriarche­n, Habjans Puppe.
„ Nathan“Franzmeier mit Katharina Klar, Rothenbuch­ner, Krautz, Biedermann – Rothenbuch­ner mit dem Patriarche­n, Habjans Puppe.
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