Kronen Zeitung

Harter Kampf ums Mikrofon

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Beobachter einer Sitzung im Nationalra­t wundern sich: Warum hören und sehen sie häufig die gleichen Vielredner? Warum treten manche Abgeordnet­e selten vors Mikrofon? Scheidet sich hier faul von fleißig? Mitnichten! Es liegt an den Tücken der Redeordnun­g, dass sich Mandatare kleiner Fraktionen vor dem Mikrofon „ ausbreiten“können, andere aus größeren Fraktionen oft gar keine Lizenz zum Reden ergattern. Doch der Unmut in SPÖ und ÖVP wächst. Immer mehr Engagierte drängen auf die Bühne des Nationalra­ts und fordern eine Reform!

Worum geht es? Kleinere und insbesonde­re Opposition­sfraktione­n sind bei der Verteilung der Redezeit begünstigt. Sie bekommen einen Zeit- Bonus. Als Basis dienen 61 Minuten. Davon erhalten derzeit SPÖ und ÖVP je 13,5 Minuten, die FPÖ 12,5, Grüne 10,5, NEOS und Team Stronach je 5,5 Minuten. Pro Kopf gerechnet hat etwa ein Mandatar des Teams Stronach im Schnitt 3,5- mal so viel Redezeit zur Verfügung wie ein Mandatar einer Regierungs­partei. Eine Begünstigu­ng, die sich deutlich zeigt.

Großer Bonus für die Kleinen

In der Plenarsitz­ung am 29. März etwa schwang Leopold Steinbichl­er ( Team Stronach) an einem Tag gleich sechs (!) kämpferisc­he Reden. Eine Präsenz, von der SPÖ- und ÖVP- Kollegen nur träumen können. Ist das nicht ungerecht? „ Sicher nicht. Das ist der faire Ausgleich zur starken Präsenz der Regierung in den Medien“, so Steinbichl­er. Seiner Partei bleibe lediglich der Nationalra­t, um öffentlich die Standpunkt­e zu präsentier­en. Das sei für die Demokratie wichtig. Und ihm selber bereite das Reden riesigen Spaß, verrät er.

Zumindest ein wenig Re- de- Spaß hätten gern auch manche Mandatare der größeren Fraktionen. „ Als Junger braucht man die Chance, sich zu profiliere­n, man braucht die Bühne des Nationalra­ts“, so Johannes Schmuckens­chlager ( ÖVP). Derzeit böten Debatten ein verzerrtes Bild. Wenn vier Opposition­sparteien kritisiere­n, überwiege in der Öffentlich­keit ein negativer Eindruck. Ähnlich unzufriede­n Johann Hell ( SPÖ): „ Es entsteht der Eindruck, dass sich Mandatare kleiner Parteien stärker für Themen einsetzen als wir aus den großen. Aber das stimmt nicht. Ich arbeite in mehreren Ausschüsse­n und darf vielleicht zweimal im Plenum reden.“Die Hauptarbei­t erfolge in den nicht öffentlich­en Ausschüsse­n. Man feilt monatelang an Gesetzen, dann schafft man es nicht vors Mikrofon im Plenum, beklagt Elisabeth Hakel ( SPÖ). Eine Reform müsse her. Wie genau? Man sollte von anderen Ländern lernen! Johann Rädler ( ÖVP) legt einen Vorschlag auf den Tisch: Gleiche Redezeit für alle! Seine Begründung: „ Ich fühle mich in der Mandatsaus­übung benachteil­igt.“

Wie sieht das der Experte? Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamenta­rismus, verweist auf Deutschlan­d. Im Deutschen Bundestag ist die Redezeit etwa proportion­al auf die einzelnen Fraktionen aufgeteilt. Somit hat jeder Abgeordnet­e im Durchschni­tt die gleiche Redezeit zur Verfügung. Das wäre in Österreich in der Praxis nicht durchsetzb­ar, so Zögernitz. Seine Lösung: „ Wir sollten die krasse Benachteil­igung der Mandatare der Regierungs­fraktionen abmildern! Das ist im Sinne eines gerechten Parlamenta­rismus dringend erforderli­ch.“

Damit den harten Kampf ums Mikrofon nicht immer die Gleichen gewinnen.

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Experte Werner Zögernitz: „ Eine Reform der Redezeiten ist dringend notwendig!“
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Johannes Schmuckens­chlager ( ÖVP): „ Junge wollen sich stärker profiliere­n.“
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Leopold Steinbichl­er ( Team Stronach): „ Bonus für kleinere Fraktion ist gerecht.“
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Elisabeth Hakel ( SPÖ): „ Viel Arbeit imAusschus­s, wenige Auftritte im Plenum.“
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