Die Ziele klar verfehlt
Showmaster, Hochstapler, Abenteurer
Washing ton.–Er hat bisher mehr Schlagzeilen produziert als jeder seiner Vorgänger. Er hat aber auch die schlechtesten Umfragewerte und eine riesige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Donald Trump ist heute100 Tage Chef im Weißen Haus.
Was für eine Präsidentschaft! Donald Trump war angetreten, es dem Establishment zu zeigen, Washington, die Hauptstadt, die einst auf einem Sumpf errichtet wurde, sinnbildlich auszutrocknen. „ America First“wetterte er zu seiner Vereidigung am 20. Januar vom Balkon des Kapitols in die Welt.
100 Tage später wird deutlich: Trump tut sich schwer. Sehr schwer. Der Mann, der dachte, die US- Präsidentschaft sei nicht viel mehr als der Vorstandsposten eines besseren Unternehmens, muss gestehen: „ Ich sehe gerade erst, wie groß das alles ist.“
Ein guter Teil seiner im Wahlkampf hochgehandelten Themen hängt im politischen Nirwana, weit entfernt von jeglicher Realisierbar-
keit im politischen Tagesgeschäft. „ Werden sich Trump und die Republikaner im Kongress jemals verstehen?“, fragt der Chefkorrespondent der „ Washington Post“, Dan Balz.
Selbst Trumps Leib- Sender Fox News argumentiert: „ Was auch immer passiert, Trump verfehlt in dramatischer Weise seine selbst gesteckten Ziele.“
Jonathan Alter, politischer Kommentator in Diensten des liberalen Senders NBC, sieht es noch deutlicher: „ Dies sind die schlechtesten 100 Tage, seit diese Messlatte eingeführt wurde.“
Wahlversprechen in Serien gebrochen
Gemessen an dem bisher Erreichten ist Donald Trump ein politischer Hochstapler. „ Eines nach dem anderen lösen wir unsere Versprechen ein“, schrieb der Präsident auf Twitter.
Viel mehr, als er einlöst, muss er allerdings brechen: Die Abkehr von Obamacare – er scheiterte, trotz republikanischer Mehrheit in beiden Kongresskammern. Ein Einreisestopp für Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern – die Gerichte stoppten ihn. Der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko – seine eigene Partei stellt ernste Fragen.
Der Botschafter der USA in Israel residiert weiter in Tel Aviv und nicht in Jerusalem, wie von Trump versprochen. Außenpolitisch macht er vor allem Innenpolitik: Wenn er gegen die Intimfeinde Amerikas aufbegehrt, gegen den Iran wettert und Nordkorea droht, dann ist das zunächst einmal Klientelpflege. Eine Syrien- Strategie ist auch bei genauem Hinsehen nicht zu erkennen.
Krieg per Zufall, wenn Trump wütend wird?
In den Think Tanks von Washington wird über etwas anderes nachgedacht: über einen Krieg, per Zufall; angezettelt aus Wut oder Frust. „ Wie der Präsident in einen Konflikt stolpern könnte“, überschreibt Philip Gordon seinen Essay über Trumps Kriegsbereitschaft in dem außenpolitischen Fachorgan „ Foreign Policy“.
Trump spaltet vom Weißen Haus aus weiter die Nation, die schon unter seinem Wahlkampf auseinanderzubrechen drohte. Wer Trump widerspricht, wird beleidigt, unliebsame Medienberichte sind Fake News, Zehntausende Demonstranten, die fast jedes Wochenende gegen Trump auf die Straße gehen, sind in der Trump’schen Wahrnehmung von linken Medien aufgestachelte Spinner. Die Medien als Volksfeind.
Die Meinungsforscher ermitteln die schlechtesten Umfragewerte, die je ein Präsident zur 100- Tage- Marke vorweisen konnte. Nur um
So schlecht mach ich es offensichtlich nicht, denn ich bin Präsident, und Sie nicht. Trump im Interview
Die Welt steckt in Schwierigkeiten, aber wir werden das ausbügeln, okay? Das ist es, was ich tue: Ich bringe Sachen in Ordnung. Trump nach der Vereidigung Ich sehe gerade erst, wie groß das alles ist. Trump am 53. Tag seiner Präsidentschaft
die 40 Prozent sind in den meisten Erhebungen mit Trump und seinem Wirken einverstanden – verheerend. Seine 25 Dekrete, die er medienwirksam in die Kameras zeigte, enthalten vor allem Prüfaufträge an die Behörden.
Doch wäre es verfrüht, die Präsidentschaft Donald Trumps als den gescheiterten Versuch eines Außenseiters abzustempeln. Trump krempelt Washington um.
USA lassen sich nicht von oben durchregieren
Längst ist nicht klar, was er und sein Team nach vier oder acht Jahren hinterlassen werden. Steve Bannon, der Chef- Ideologe im Weißen Haus, arbeitet weiter an einer neuen, nationalen Vision für Amerika. Auch wenn die Führung einsehen musste: Das parlamentarische System verträgt nicht allzu große Dosen an Rebellion.
Doch Trump hat Möglichkeiten, vorbei am Kongress zu regieren. Der Einfluss der Familie des Immobilienmilliardärs, das Unternehmerische in der Politik des Weißen Hauses, wird immer größer: Tochter Ivanka residiert mit eigenem Büro im Westflügel, Jared Kushner, ihr Ehemann, hat seine Einflusssphäre schnell ausgebaut.
Eine ganze Riege ehemaliger Goldman- Sachs- Manager, darunter Finanzminister Steven Mnuchin und Trump- Berater Gary Cohn, haben viel zu sagen. Voller Selbstbewusstsein legen sie Hebel um.
Der Trump- Clan: „ Family first“
Die USA hatten schon immer politische Dynastien, moderne Königsfamilien: die Kennedys, die Bushs, die Clintons. Von mächtigen Wirtschaftsbossen wie den Fords und Rockefellers ganz zu schweigen. Eine Familie wie die Trumps aber haben die USA wohl noch nicht gesehen.
In den ersten 100 Amtstagen des neuen US- Präsidenten ist das Weiße Haus auch zu einer Familienbastion geworden – wichtige Mitglieder sitzen im Schaltzentrum der Macht. Der Einfluss der „ First Family“scheint kontinuierlich zu wachsen. „ Family first“– die Familie zuerst.
Er mag die Natur nur als Golfplätze
„ Make America Great Again“– das heißt für Trump vor allem Jobs schaffen. Die Wirtschaftspolitik steht auf drei Säulen: Deregulierung, Steuerreform und Investitionen in die Infrastruktur. Nichts hat bisher in größerem Umfang wirklich stattgefunden, am weitesten ist Trump beim Deregulieren. So beseitigte er etwa Schranken beim Pipelinebau und beim Verkleinern von Natur- schutzgebieten. Er mag Natur nur als Golfplätze.
Die USA haben noch immer großes Gewicht. Die G20- Finanzminister etwa mussten ihre sonst übliche Hymne an die Globalisierung aus ihrem Abschlussprotokoll streichen und auch bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds ( IWF) fanden sich in dem Abschlussdokument nicht mehr Worte gegen „ Protektionismus“oder für „ Klimaschutz“.
Internationale Politschwergewichte mussten erkennen: Ein Weg gegen die USA ist auch unter Trump kein guter Weg.
Das Gerücht, der Kreml habe etwas in der Hand gegen Trump, hält sich hartnäckig. Kritiker befürchten: Dies könnte die Politik des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten schlagartig beenden.