Lieber Herr Bundeskanzler,
guat is gangen, nix is gschehn, kann man Ihre unspektakuläre „ Premiere“als SPÖ- und Regierungschef auf der Tribüne zum 1. Mai auf dem Wiener Rathausplatz zusammenfassen . . .
. . . vor der ich gestern drei volle Stunden stand und gewartet habe, dass etwas passiert. Weil ein Pfeifkonzert gegen Sie wollte ich um alles in der Welt nicht verpassen.
Na ja, und wie ich so stehe und warte, komme ich mit einem älteren Herrn neben mir ins Gespräch, der, schwer gestützt auf zwei Krücken, aufmerksam nach oben blickt zu den auf der Tribüne „ aufgefadelten“roten Granden und Grandinnen.
Zu Michael Häupl, Andreas Schieder, Erich Foglar, Michael Ludwig, Doris Bures, Renate Brauner und Ihnen, um nur die wichtigsten zu nennen.
Der Mann fragt mich, ob ich wissen möchte, was er „ dort oben“sieht. Ich bejahe gierig, und er sagt:
„ Als lebenslanger erfahrener Sozialdemokrat, als echter Wiener Sozi, sehe ich da oben Genossinnen und Genossen, die im Namen der Freundschaft wacheln und winken, aber keine Freunde sind. Jeder gegen jeden heißt die Parole. Das Einzige, was diese Herrschaften eint, ist der Wille zu persönlicher Macht, die Machterhaltung. Sozialdemokratische Werte sind denen wurscht.“
Dann humpelt er davon, vorbei an einem rechtzeitig zu Ihrer Rede entrollten Riesenplakat, das im starken Wind knattert und verkündet:
ROTE SCHALE, SCHWARZER KERN!