Stell dir vor, es geht das Licht aus!
Akademietheater: Uraufführung Polleschs „ Carol Reed“, Minichmayr, Wuttke u. a.
Bis zur um einen Tag verschobenen Premiere war es wohl harte Arbeit! Herausgekommen ist eine Farce. Und weiter nichts? Nicht nur, denn René Polleschs jüngstes Theaterstück nähert sich Autorenvätern des letzten Jahrhunderts an: Er vermischt Realität mit Absurdität, allzu Menschliches mit Bühnenverstellung . . . Der Versuch war es wert.
Den Prolog des Abends übernimmt eine Scheinwerfer batterie: Die Objekte der Begierde jeder Schauspielerund Schauspielerinnen eitelkeit beäugen bedrohlich den ganzen Abend lang Polleschs Protagonisten ( Bühne: Katrin Brack). Denn es sind nur zwei Sachen, die dem Quartett mit rettender Souffleuse ( Sybille Fuchs) im Schlepptau bleiben: die Bretter, die die Welt bedeuten, und das grelle Rampenlicht! Stell dir vor, das geht aus! Das Interieur wurde abtransportiert, was liegen blieb, sind Handschellen, eine goldene Uhr und ein Blechkübel mit Wasser für die zur Beruhigung Zigaretten qualmenden Mimen.
Pollesch stöberte ein wenig im Filmarchiv aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Da täuscht der Titel „ Carol Reed“nach dem gleichnamigen britischen Filmregisseur („ Der dritte Mann“!), täuschen textlich wie musikalisch pointierte Einsprengsel aus Filmen zwischen Hitchcocks „ 39 Stufen“und Roger Vadims Kultstreifen „ Barbarella“mit Jane Fonda.
Das Ganze beginnt, wenn auch aufdringlich deutsch, sehr komisch. Überrascht, echauffiert, ratlos und ihrer Umwelt beraubt suchen die vier in Smoking und herrlich pinkfarbenen Abendkleidern ( Kostüme: Tabea Braun) nach Lösungen für ihr Problem. Dabei verheddern sie sich immer mehr in eigenen Gefühlslagen, in Zwängen, im Spintisieren . . . und in Polleschs immer mehr im, vom treffend Absurden ins leider Sinnlose abdriftende, Geplapper. Frisch geschlüpft aus grellen Schutzanzügen ( eine Art Kokon) im blinkenden Glitzerfummel, verliert sich das Quartett im Banalen. Schlusssatz: „ Ich glaube die Leute spielen Lotto um sich daran zu gewöhnen, dass sie Loser sind.“
Aber braucht es denn Sinn? Nach und nach steigt immer mehr Nebel aus dem Bühnenboden, und die Chose wird immer verwaschener. Wohl Symbol. Also ja!
Pollesch hat wie immer selbst inszeniert und dabei dem Ensemble eine harte Nuss zu knacken gegeben. Denn sein Textkonvolut voller Gedankensprünge macht selbst Profis wie Martin Wuttke und Birgit Minichmayr zu schaffen. In geschliffenem Deutsch hätten sie sich wahrscheinlich leichter getan: Wuttke verliert sich immer wieder in der Geistesflucht Polleschs. Am Anfang Gentleman mit Hang zu Skurrilem, taucht er mit Polizistenfantasien ins „ Universum“ab. Birgit Minichmayr als naive Diva erregt sich mit stark brechender Stimme an der unhaltbaren Situation, an der Leere auf der Bühne wie in der eigenen kleinen Seele. Irina Sulaver und Tino Hillebrand gefallen als jugendliche Gegenstücke . . . Sie alle versuchen Polleschs unfertigem, am Ende mutlos wirkendem Stück Gesicht zu geben. Schade!