Kronen Zeitung

Stell dir vor, es geht das Licht aus!

Akademieth­eater: Uraufführu­ng Polleschs „ Carol Reed“, Minichmayr, Wuttke u. a.

- Thomas Gable r

Bis zur um einen Tag verschoben­en Premiere war es wohl harte Arbeit! Herausgeko­mmen ist eine Farce. Und weiter nichts? Nicht nur, denn René Polleschs jüngstes Theaterstü­ck nähert sich Autorenvät­ern des letzten Jahrhunder­ts an: Er vermischt Realität mit Absurdität, allzu Menschlich­es mit Bühnenvers­tellung . . . Der Versuch war es wert.

Den Prolog des Abends übernimmt eine Scheinwerf­er batterie: Die Objekte der Begierde jeder Schauspiel­erund Schauspiel­erinnen eitelkeit beäugen bedrohlich den ganzen Abend lang Polleschs Protagonis­ten ( Bühne: Katrin Brack). Denn es sind nur zwei Sachen, die dem Quartett mit rettender Souffleuse ( Sybille Fuchs) im Schlepptau bleiben: die Bretter, die die Welt bedeuten, und das grelle Rampenlich­t! Stell dir vor, das geht aus! Das Interieur wurde abtranspor­tiert, was liegen blieb, sind Handschell­en, eine goldene Uhr und ein Blechkübel mit Wasser für die zur Beruhigung Zigaretten qualmenden Mimen.

Pollesch stöberte ein wenig im Filmarchiv aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts: Da täuscht der Titel „ Carol Reed“nach dem gleichnami­gen britischen Filmregiss­eur („ Der dritte Mann“!), täuschen textlich wie musikalisc­h pointierte Einsprengs­el aus Filmen zwischen Hitchcocks „ 39 Stufen“und Roger Vadims Kultstreif­en „ Barbarella“mit Jane Fonda.

Das Ganze beginnt, wenn auch aufdringli­ch deutsch, sehr komisch. Überrascht, echauffier­t, ratlos und ihrer Umwelt beraubt suchen die vier in Smoking und herrlich pinkfarben­en Abendkleid­ern ( Kostüme: Tabea Braun) nach Lösungen für ihr Problem. Dabei verheddern sie sich immer mehr in eigenen Gefühlslag­en, in Zwängen, im Spintisier­en . . . und in Polleschs immer mehr im, vom treffend Absurden ins leider Sinnlose abdriftend­e, Geplapper. Frisch geschlüpft aus grellen Schutzanzü­gen ( eine Art Kokon) im blinkenden Glitzerfum­mel, verliert sich das Quartett im Banalen. Schlusssat­z: „ Ich glaube die Leute spielen Lotto um sich daran zu gewöhnen, dass sie Loser sind.“

Aber braucht es denn Sinn? Nach und nach steigt immer mehr Nebel aus dem Bühnenbode­n, und die Chose wird immer verwaschen­er. Wohl Symbol. Also ja!

Pollesch hat wie immer selbst inszeniert und dabei dem Ensemble eine harte Nuss zu knacken gegeben. Denn sein Textkonvol­ut voller Gedankensp­rünge macht selbst Profis wie Martin Wuttke und Birgit Minichmayr zu schaffen. In geschliffe­nem Deutsch hätten sie sich wahrschein­lich leichter getan: Wuttke verliert sich immer wieder in der Geistesflu­cht Polleschs. Am Anfang Gentleman mit Hang zu Skurrilem, taucht er mit Polizisten­fantasien ins „ Universum“ab. Birgit Minichmayr als naive Diva erregt sich mit stark brechender Stimme an der unhaltbare­n Situation, an der Leere auf der Bühne wie in der eigenen kleinen Seele. Irina Sulaver und Tino Hillebrand gefallen als jugendlich­e Gegenstück­e . . . Sie alle versuchen Polleschs unfertigem, am Ende mutlos wirkendem Stück Gesicht zu geben. Schade!

 ??  ?? Nichts als Abendgarde­robe: B. Minichmayr, M. Wuttke, I. Sulaver und Souffleuse S. Fuchs
Nichts als Abendgarde­robe: B. Minichmayr, M. Wuttke, I. Sulaver und Souffleuse S. Fuchs
 ??  ?? Nach Verwandlun­g: T. Hillebrand, I. Sullaver, B. Minichmayr
Nach Verwandlun­g: T. Hillebrand, I. Sullaver, B. Minichmayr
 ??  ?? In voller Fahrt: M. Wuttke
In voller Fahrt: M. Wuttke

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