Flüssen auf der Spur
Eingriffe in natürliche Systeme haben oftmals kostspielige Nebenwirkungen
Österreichs erste Professorin für Umweltgeschichte will zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen. Verena Winiwarter vom Institut für Soziale Ökologie der Alpen- Adria- Universität Klagenfurt arbeitet dafür mit Expertinnen und Experten für Fließgewässer zusammen. Gemeinsam fragen sie nach langfristigen Auswirkungen der Menschen auf Flüsse, etwa der Donau, und umgekehrt.
„ Die Wiener Donau war ein sehr dynamischer Fluss. Hochwässer, im Winter oft in Verbindung mit einem Eisstoß, hoch aufgetürmten Eisschollen, die wie ein Damm das Wasser stauten, machten das Leben am Strom gefährlich“, so Prof. Winiwarter. Außerdem änderte die Donau mit ihren Seitenarmen immer wieder ihren Verlauf. „ Nach jedem Hochwasser musste die Fahrrinne neu gesucht wer-
Zur Person
Verena Winiwarter, geboren in Wien, ist Ingenieurin für Technische Chemie, Historikerin, habilitierte Humanökologin und seit 2007 Professorin für Um- den, Inseln tauchten auf und andere verschwanden“, erzählt die Historikerin. Viel früher als bislang angenommen, begannen Kaiser und Stadt regulierend einzugreifen. Schon im 16. Jahrhundert sei die Donau mittels aufwändiger Wasserbauten umgelenkt worden, um zu verhindern, dass sie sich von der Stadt entfernt und den wichtigen Schiffstransport nach Wien unterbricht.
Nach jahrhundertelangen Regulierungsarbeiten ereilte 1830 ein weiteres katastrophales Hochwasser die Stadt. Zwei Jahre später begannen Bauarbeiten am unteren Donaukanal, um bei Eis künftig den Rückstau zu verhindern, der die Stadt immer wieder unter Wasser gesetzt hatte. weltgeschichte am Institut für Soziale Ökologie der Alpen- Adria- Universität Klagenfurt. Die Flussforschungen wurden im Rahmen der beiden FWF-Projekte „ ENVIEDAN“und „ URBWATER“durchgeführt. Wien wurde in dieser Zeit umfassend umgestaltet, vor allem durch den Bau von Eisenbahnen und unterirdischen Kanälen. 1837/ 38 wurde quer über die Donaulandschaft der Nordbahndamm gebaut. Niemand, so scheint es, hatte daran gedacht, dass der Damm eine künstliche Engstelle schuf. Groß war daher die Verzweiflung, als beim nächsten Hochwasser einige Ortschaften wieder besonders hart getroffen wurden. Neben Erhöhung und Neubau von Dämmen wurden 1850 auch größere Öffnungen in den Bahndamm gegraben, um dieses Problem zu beseitigen. Auch hier entdeckten die Forscher ein Muster, das ihnen immer wieder begegnet: Eingriffe in natürliche Systeme haben Nebenwirkungen. Sehr oft werden diese nicht von Anfang an bedacht, was später zu sehr kostspieligen Reparaturen führt.
„ Historisches Wissen kann in die Prognose der unbeabsichtigten Nebenwirkungen von Eingriffen in die Natur einfließen. Für die Umweltgeschichte der Wiener Gewässerlandschaft wurden mehr als tausend historische Karten und Ansichten, schriftliche Berichte, geologische und archäologische Daten ausgewertet“, berichtet Prof. Winiwarter. Das Wiener Landesarchiv und viele weitere Dienststellen der Stadt Wien unterstützten diese Forschung.
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