Kronen Zeitung

Ein Analytiker im Tongewitte­r

Konzerthau­s: „ Porträt Pierre Boulez“zum Musikfests­tart

- VON STEFAN MUSIL

Das Wiener Konzerthau­s würdigt den 2016 verstorben­en Musiker, Dirigenten, Komponiste­n und Revolution­är Pierre Boulez mit einer Konzertrei­he. Das Auftaktkon­zert vor dem Musikfest kombiniert­e frühen mit spätem Boulez und streute Schönberg ein. Dafür gab sich Daniel Barenboim als Dirigent eines Stückes die Ehre.

Ein Konzert am Sonntagnac­hmittag ist eine eher seltene Sache. Doch für eine zentrale Persönlich­keit der neuen Musikgesch­ichte ist auch das möglich. Es war der Startschus­s für eine Konzertrei­he bis 19. Juni, die den Komponiste­n Boulez zur Diskussion stellt. Und dementspre­chend interessie­rtes Publikum anlockte.

Boulez’ frühes, 1952 komponiert­es, in Donaueschi­ngen uraufgefüh­rtes erstes Buch der „ Structures“für zwei Klaviere machte den Auftakt. Eine Kompositio­n, die Boulez später, wie vieles, widerrufen hat, die aber als Schlüsselw­erk der „ seriellen Musik“gilt. Ein elementare­s Tongewitte­r, das, von den formidable­n Pianisten Denis Kozhukhin und Michael Wendeberg großartig exekutiert, immer noch eine starke Faszinatio­n entfaltet.

In ihrer die objektive Musizierkr­aft ausschalte­nden Konsequenz erwies sich die Kompositio­n jedenfalls dichter und konziser als der zweite, spätere, extrem intellektu­elle Boulez, der vor allem analytisch­e Fragen stellte – und beantworte­n wollte: „ sur Incices“.

In diesem 1996 begonnenen, später erweiterte­n Werk stellt Boulez drei Klavieren drei Harfen und drei Perkussion­sspieler mit allerlei Instrument­arium an die Seite. Fächert in einem rhythmisch­en Parforce- Ritt und klanglich ungemein reizvollen, immer wieder neuen Kniffen das Saitenspie­l des Klaviers auf.

Dennoch ist das Werk nicht frei von Redundanze­n, ermüdete gegen Ende. Selbst wenn es in den dirigieren­den Händen von Daniel Barenboim und bei den hervorrage­nden Musikern des Boulez Ensembles bestens aufgehoben war. Das war jedenfalls besser als die brav, aber nicht übermäßig packend musizierte „ Verklärte Nacht“von Schönberg, die als wohliger Ausgleich älteres musikalisc­hes Neuland zu Gehör brachte.

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Für Pierre Boulez ( re.): Daniel Barenboim
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