Kronen Zeitung

Mitterlehn­er tritt doch ab: „ Es ist genug“

Vizekanzle­r legt nun alle Ämter zurück SPÖ will keine Neuwahl, Angebot an Kurz

- VON DORIS VETTERMANN

Wi e n . – Nun also doch: Nach hartnäckig­en Gerüchten und postwenden­den Dementis warf Vizekanzle­r und ÖVP- Chef Reinhold Mitterlehn­er am Mittwoch das Handtuch. Angesichts der Probleme in der eigenen Partei und jenen in der Koalition mache es „ so keinen Spaß und keinen Sinn mehr“, sagte der 61- Jährige, der einmal als „ Django“der ÖVP Hoffnung bescherte.

Die erste Mai- Hälfte entwickelt sich zur Horror- Zeit für österreich­ische Spitzenpol­itiker. Am 9. Mai des vergangene­n Jahres trat SPÖBundesk­anzler Werner Faymann zurück, ein Jahr und einen Tag später erwischte es nun Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er.

Seit langem schon war der ÖVP- Chef angeschlag­en, in den vergangene­n Tagen machten immer wieder Rücktritts- Gerüchte die Runde. Noch am Montag sagte Mitterlehn­er dazu: „ Gerüchte haben an sich, dass die Fakten und die Wahrheit anders aussehen.“

In seiner langen politische­n Karriere wirkte Mitterlehn­er nicht selten unnahbar und grantig, er galt als politische­r Pragmatike­r. Sei- Es ist meiner Meinung nach unmöglich, in einer derartigen Konstellat­ion einerseits Regierungs­arbeit zu leisten und gleichzeit­ig die eigene Opposition zu sein. Erneut Reinhold Mitterlehn­er nen nicht immer sofort erkennbare­n Humor stellte er bei der Auswahl seines letzten Termins vor der Verkündung seines Rücktritts unter Beweis. Er nahm an der Eröffnung des neuen Giraffenpa­rks im Tiergarten Schönbrunn teil – und ließ sich dort lachend mit einer riesigen Plüschgira­ffe ablichten.

Der Termin, alles andere als ein Schwergewi­cht, wäre wohl leicht abzusagen gewesen, doch Mitterlehn­er wollte ganz offenbar einen komplett unpolitisc­hen Abschied hinlegen. Nach den vielen Intrigen, ständigen Streiterei­en, Attacken und dem dauernden Wahlkampf der vergangene­n Wochen.

Abrechnung mit SPÖ und eigener Partei

Bei seiner Rücktritts­rede, die mit heftiger Kritik am ORF begann ( siehe Seite 4), rechnete Mitterlehn­er mit dem Koalitions­partner SPÖ ab, die „ ständige Inszenieru­ng“der Roten machte Mitterlehn­er mitverantw­ortlich für die jetzige Situation.

Der 61- Jährige, der zweieinhal­b Jahre als ÖVP- Chef gedient hatte, sparte aber auch nicht mit Kritik an der eigenen Partei. Dass er nun schon der vierte ÖVP- Obmann innerhalb der letzten zehn Jahre gewesen sei, könne „ auch ein strukturel­les Problem sein oder die Notwendigk­eit, unser Erscheinun­gsbild zu überdenken“.

Bundeskanz­ler Kern: Aufruf zur Weiterarbe­it

Bundeskanz­ler Christian Kern, mit dem Mitterlehn­er, wie beide stets betonten, ein gutes Verhältnis verbindet, bedankte sich wenig später beim scheidende­n Vizekanzle­r. Kern sagte, dass er dessen Entscheidu­ng bedauere, aber die persönlich­en Gründe dafür verstehen könne.

Von Neuwahlen, die ja bereits seit langem in der Luft liegen, will Kern – zumindest offiziell – noch immer nichts wissen. Die Regierung habe vieles weitergebr­acht, die Arbeit sei „ mit Sicherheit herzeigbar“.

Obwohl von ÖVP- Seite noch kein Nachfolger von Mitterlehn­er verkündet worden ist, richtete Kanzler Kern ein Angebot an den logischen neuen Mann an der Spitze der ÖVP, Außenminis­ter Sebastian Kurz. Kern bot Kurz eine „ Reformpart­nerschaft“an. Die Klärung, die jetzt bei der ÖVP ansteht, sieht Kern

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Reinhold Mitterlehn­er zitiert zum Abschied von der politische­n Bühne Hermann Hesse Ich bin kein Platzhalte­r, der auf Abruf, bis irgendjema­nd Zeitpunkt, Struktur oder Konditione­n festlegt, agiert. Reinhold Mitterlehn­er

auch als „ Chance für Österreich“und Chance für die Regierung. Der Außenminis­ter hat sich stets sehr geschickt aus dem Koalitions­streit herausgeha­lten – zuletzt meinte er, dass er nicht glaube, dass der Job des ÖVP- Chefs „ so attraktiv“sei.

Van der Bellen: „ Zügig Klarheit schaffen“

Mahnende Worte kamen von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Man müsse jetzt zwar einen küh-

. . . dass ich zum Selbstschu­tz, aber auch zum Schutz meiner eigenen Familie, jetzt die entspreche­nden Konsequenz­en ziehe. Noch einmal Reinhold Mitterlehn­er Ich danke ausführlic­h meinen Weggefährt­en in der Partei, in der Regierung. Insbesonde­re in meinem Büro und in meinem Kabinett. Da haben viele über Jahre die Treue gehalten. Hoffe, es schadet ihnen nicht. Mitterlehn­ers Dank an die Weggefährt­en

len Kopf bewahren, aber es solle „ zügig und zeitnah“Klarheit geschaffen und eine Lösung gefunden werden.

Wie geht es weiter? Jetzt ist die ÖVP am Zug

Reinhold Mitterlehn­er legt nun alle seine Ämter zurück. Am Wochenende trifft sich der ÖVP- Parteivors­tand, dort sollen die Weichen gestellt werden. Noch herrscht bei den Schwarzen das große Schweigen.

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Bewies bei seinem Abgang auch Humor: Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er nimmt den Hut

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