Gnadenlose Scheinwerfer
Die Granden sind grantig. Mit wem immer in der ÖVP man am Mittwoch nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner, der vieles geleistet hat, sprach: Alle sind sich darüber einig, dass zwar auch parteiintern mit Mitterlehner schlecht umgegangen wurde – aber dass der Koalitionspartner SPÖ in den letzten Tagen ein bitterböses Spiel mit der Volkspartei und ihrem Obmann getrieben habe.
Tatsächlich ist es den Sozialdemokraten nach erheblichen Turbulenzen rund um das misslungene PizzabotenVideo des Kanzlers und Par- teichefs und dem Wiener SPÖ- Parteitag mit den Watschen für Häupl und Co. gelungen, wieder Oberwasser zu kriegen. Gnadenlos richtete man in voller Wattstärke alle Scheinwerfer auf die nicht wenigen Schwachstellen der ÖVP – bis bei deren Parteiobmann die Sicherungen endgültig durchbrannten und er am Mittwoch aufgab.
Wenndie SPÖ einen ausgewiesenen Großkoalitionär wie Reinhold Mitterlehner zum Rücktritt treibt – wie sollte es dann in einer ande- ren Konstellation mit Rot und Schwarz funktionieren, fragt man sich bei der ÖVP. Kerns Angebot einer „ Reformpartnerschaft“mit Kurz: für die Schwarzen lupenreine Provokation. Dass Kerns Sohn gleichzeitig Kurz mit dem afrikanischen Massenmörder Idi Amin vergleicht: tödlich.
Die große Koalition ist mausetot. Sie war es längst schon. Seit gestern ist sie noch toter als tot. Sie zu Grabe zu tragen – dafür wollte bisher keiner Verantwortung übernehmen. Das Stim- mungsbild in der ÖVP am Mittwoch: Dann werde man eben die Verantwortung für Neuwahlen übernehmen.
Bleibt nur noch ein wichtiger Punkt zu erledigen: parteiintern Sebastian Kurz davon zu überzeugen, dass er jetzt übernehmen muss. Ihm ein Umfeld zuzugestehen, in dem er nicht zum Verglühen verdammt ist wie seine Vorgänger Molterer, Pröll, Spindelegger, Mitterlehner.
Es ist vermutlich auf lange Sicht, wenn nicht für immer die letzte Chance für die einstige Großpartei ÖVP.