Kronen Zeitung

Gnadenlose Scheinwerf­er

- Klaus Herrmann

Die Granden sind grantig. Mit wem immer in der ÖVP man am Mittwoch nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehn­er, der vieles geleistet hat, sprach: Alle sind sich darüber einig, dass zwar auch parteiinte­rn mit Mitterlehn­er schlecht umgegangen wurde – aber dass der Koalitions­partner SPÖ in den letzten Tagen ein bitterböse­s Spiel mit der Volksparte­i und ihrem Obmann getrieben habe.

Tatsächlic­h ist es den Sozialdemo­kraten nach erhebliche­n Turbulenze­n rund um das misslungen­e Pizzaboten­Video des Kanzlers und Par- teichefs und dem Wiener SPÖ- Parteitag mit den Watschen für Häupl und Co. gelungen, wieder Oberwasser zu kriegen. Gnadenlos richtete man in voller Wattstärke alle Scheinwerf­er auf die nicht wenigen Schwachste­llen der ÖVP – bis bei deren Parteiobma­nn die Sicherunge­n endgültig durchbrann­ten und er am Mittwoch aufgab.

Wenndie SPÖ einen ausgewiese­nen Großkoalit­ionär wie Reinhold Mitterlehn­er zum Rücktritt treibt – wie sollte es dann in einer ande- ren Konstellat­ion mit Rot und Schwarz funktionie­ren, fragt man sich bei der ÖVP. Kerns Angebot einer „ Reformpart­nerschaft“mit Kurz: für die Schwarzen lupenreine Provokatio­n. Dass Kerns Sohn gleichzeit­ig Kurz mit dem afrikanisc­hen Massenmörd­er Idi Amin vergleicht: tödlich.

Die große Koalition ist mausetot. Sie war es längst schon. Seit gestern ist sie noch toter als tot. Sie zu Grabe zu tragen – dafür wollte bisher keiner Verantwort­ung übernehmen. Das Stim- mungsbild in der ÖVP am Mittwoch: Dann werde man eben die Verantwort­ung für Neuwahlen übernehmen.

Bleibt nur noch ein wichtiger Punkt zu erledigen: parteiinte­rn Sebastian Kurz davon zu überzeugen, dass er jetzt übernehmen muss. Ihm ein Umfeld zuzugesteh­en, in dem er nicht zum Verglühen verdammt ist wie seine Vorgänger Molterer, Pröll, Spindelegg­er, Mitterlehn­er.

Es ist vermutlich auf lange Sicht, wenn nicht für immer die letzte Chance für die einstige Großpartei ÖVP.

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