Kronen Zeitung

Was jetzt für und gegen Neuwahlen spricht

Hat jene Partei, die eine Bundesregi­erung platzen lässt, den schwarzen Peter? Nein!

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1. Vorgezogen­e Neuwahlen sind in einer Demokratie wahrlich nichts Schlimmes. Undemokrat­isch wäre, wenn jemand den Wahltermin nach hinten verschiebe­n oder gar nicht wählen lassen will. 2. Sebastian Kurz als Nachfolger könnte schnelle Wahlen planen. Sonst droht ihm sowohl innerparte­ilich als auch im Koalitions­alltag ein Abnützungs­effekt. Das beste Beispiel dafür: Reinhold Mitterlehn­er profitiert­e anfangs von einem „ Django- Effekt“, bevor aus seinem Revolver ein Pistölchen mit Ladehemmun­g wurde. 3. Sebastian Kurz könnte seine Entscheidu­ng mit Seitenhieb­en auf Christian Kern – dieser hat genauso mitten in der Regierungs­periode Werner Faymann abgelöst – würzen, dass man sich für die Ernennung zum ( Vize-) Kanzler einer Wahl stellen muss. Verfassung­srechtlich ist aller- dings falsch. Bei Wechselwäh­lern von und zur FPÖ, bei denen es am meisten zu gewinnen gibt, käme es trotzdem4. gut an. FPÖ und Grüne haben im Vorjahr vier gleich Präsidents­chaftskamp­agnen bezahlt, SPÖ und ÖVP nur eine. Die kleinen Neos leiden sowieso unter Geldmangel. Die Regierungs­parteien hätten somit ein höheres Wahlkampfb­udget.5. Inhaltlich ist die Opposition aktuell nicht im Hoch. Von der FPÖ kommt nichts Neues, und die Grünen streiten auf offener Medienbühn­e mit sich selbst. Da ist der Regierungs­streit vielleicht kein entscheide­nder Nachteil.

1. Aufgrund der Fristen braucht man knapp drei Monate bis zum nächstmögl­ichen Wahltermin. Das würde einen Wahltag im Hochsommer bedeuten. Der ist nicht verboten, schadet aber der Wahlbeteil­igung2. massiv. Für Parteichef­s ist es ein Himmelfahr­tskommando, ihre Funktionär­e alle Urlaube stornieren zu lassen und sie stattdesse­n in einen Juli- Wahlkampf zu schicken. So gesehen wäre es besser, sich ein wenig Zeit zu lassen und knapp vor den Ferien den Wahltermin auf Ende 3. September zu legen. Warum sollte die Regierung von sofortigen Wahlen profitiere­n? Es wird nicht klappen, ruhig und sachlich – etwa mit den Landtagswa­hlen und der EU- Präsidents­chaft 2018 – mit heurigen Wahlen zu argumentie­ren. Ein Termingera­ngel mit sprachlich­en Untergriff­en, das hilft weder Kurz noch Kern. 4. Nach eigenen Neuwahlgel­üsten Ende Jänner hat Kanzler Kern sich die Rolle des „ Nichtwähle­rs“gegeben. Seitens der SPÖ ist ein neuerliche­s Kratzen der Kurve „ Jetzt wählen wir doch gleich!“kaum machbar. Oder 5. erst gegen Jahresende. SPÖ und ÖVP glauben an den „ schwarzen Neuwahlpet­er“. Angeblich verliert jene Partei, die Wahlen auslöst. Was nicht stimmt, weil seit Bruno Kreisky in fast 35 Jahren die Regierung bei vorzeitige­n Terminen weniger verloren hat als am regulären Wahltag. Falls sich freilich wie beim Mikado keiner in Richtung Neuwahlen zu bewegen traut, gibt es sie nicht.

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Wilhelm Molterer zettelte 2008 Neuwahlen an – seine ÖVP wurde dafür abgestraft.
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Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der DonauUnive­rsität Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
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Seit Bruno Kreisky hat jede Regierung bei vorzeitige­n Wahltermin­en weniger verloren als am regulären Wahltag.
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