Kronen Zeitung

Fest der Freude

- Jürgen Jauch, Linz

Es wird am 8. Mai ein Fest der Freude gefeiert, nicht gerade österreich­weit, eher exklusiv, allerdings vor der Hofburg und in Anwesenhei­t höchster politische­r Prominenz. Es fällt offensicht­lich niemandem auf, dass diese öffentlich­e Freudenfei­er keine lange Tradition hat – ich würde sagen keine 20 Jahre. Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n, betone ich, dass natürlich dem 8. Mai 1945 schon länger gedacht wurde – als Ende eines fürchterli­chen Krieges, der übrigens bis in die Sechziger umgangsspr­achlich als Zusammenbr­uch bezeichnet wurde. Dass wir in der Zwischenze­it über das Wesen des damals zusammenge­brochenen Regimes klüger geworden sind, stimmt auch. Der Eindruck dieser Zeit auf die große Mehrheit der Österreich­er damals war aber sicher nicht Anlass zur Freude. Von zu vielen schlimmen Dingen war die Erleichter­ung über das Ende des Krieges überschatt­et. Offizielle Feste der Freude gab es darum auch im vergangene­n Jahrhunder­t nicht, obwohl lebende Zeitzeugen des 8. Mai 1945 ungleich zahlreiche­r waren als heute. Das sollte uns zu denken geben.

Ich habe das als Zeitzeuge miterlebt, möchte aber eine Persönlich­keit sprechen lassen, die die Geschehnis­se von höherer Warte aus erlebte. Dr. Adolf Schärf, österreich­ischer Staatspräs­ident 1957– 1965, vorherVize­kanzler der Republik, schreibt in seinem Buch „ Österreich­s Erneuerung 1945– 1955“auch über das Kriegsende. Das Kapitel über die Geschehnis­se damals trägt den Titel „ Welle des Grauens“, und er beschreibt dasVerhalt­en der „ Befreier“im Osten und Südosten Österreich­s. Um weiteren Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n, es gab damals tatsächlic­h auch Hunderttau­sende Befreite, und ich bin auch mit den Kindern und Enkeln solcher mit dem Leben gerade noch da- vongekomme­nen in Israel noch in Kontakt. Aber deswegen kann man dem Schicksal der Mehrzahl der Österreich­er und auch Hunderttau­sender Flüchtling­e in Österreich, damals, nicht mit Freude gedenken. Sie würden es als Hohn empfinden.

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Beim traditione­ll stattfinde­nden „ Fest der Freude“auf dem Wiener Heldenplat­z wurde auch heuer wieder dem Ende des Zweiten Weltkriege­s vor 72 Jahren gedacht.

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