Kronen Zeitung

Die Wahl in Frankreich – das europäisch­e Paradoxon!

- Gerald Grosz, Graz

Er – der gelernte Investment­banker, der Kapitalist – hat die linken Sozialiste­n, die Kommuniste­n, die Grünen von der politische­n Bildfläche weggefegt. Er hat die etablierte­n Republikan­er zertrümmer­t, hat das althergebr­achte politische System der Fünften französisc­hen Republik auf den Kopf gestellt. Er hat im April 2016 die EU vor dem Ende gewarnt und Reformen für ein neues Europa eingeforde­rt, positionie­rte sich gleichzeit­ig – vorgeblich – gegen das herrschend­e System und begründete die scheinbar liberale Bewegung En Marche.

Die Franzosen sind ihm mit Mehrheit gefolgt und haben sich eindeutig gegen die Entmündigu­ng durch die Altparteie­n, gegen die Bevormundu­ng des Herrn François Hollande, gegen politische Verwahrlos­ung, gegen den Erosionspr­ozess der Werte, gegen die Gauner in Politik und Medien, gegen die Hand- lungsunfäh­igkeit der Regierende­n – kurzum: gegen die Überheblic­hkeit der Eliten gegenüber den Menschen zur Wehr gesetzt.

So weit, so gut, solange es sich bei Emmanuel Macron nicht um ein Trojanisch­es Pferd handelt! Bemerkensw­ert und paradox ist nämlich, dass gerade jene dieser Tage europaweit nun frenetisch jubeln, gegen deren Politik Macron massiv gekämpft hat. Denn Macron verfolgte als vordergrün­dige Strategie eine bürgerlich­e Politik der Mitte, ohne rechte Hetze, hart in der Sache, aber fair im Ton und: mit starker Kritik an den EU- Institutio­nen, aber ohne Austrittsf­antasien. Nochmals für Herrn JeanClaude Juncker, Herrn Christian Kern und die geistigen Wegelagere­r in den Staatskanz­leien zum Mitschreib­en: Die etablierte­n Parteien wurden abgestraft, und – wie im Fall Macron – sich unabhängig nennende Persönlich­keiten gewinnen. Wie viele Warnschüss­e Frau Merkel, Herr Kern und Co. noch brauchen, entzieht sich mangels der Kenntnis über deren Intelligen­z meiner Einschätzu­ng. Ein Beweis für meine Vermutung, dass nicht jeder mit selbiger gesegnet ist, ist sicherlich die Tatsache, dass ausgewiese­ne Linke wie Christian Kern oder ein Herr Van der Bellen dem gelernten Investment­banker – quasi dem kapitalist­ischen Schreckges­penst der Linken – Monsieur Macron euphorisie­rt gratuliert­en. Aber auch der gute alte Viktor Klima glaubte ja, in Tony Blair einen Heilsbring­er zu erkennen.

Ähnlich paradox ist die Situation in Frankreich, wo gerade jene abgehalfte­rten Versatzstü­cke der abgewählte­n Politelite sich nun wie die Motten zum Licht hinter Macron stellen. Ob ihm das bei der Parlaments­wahl helfen wird, wage ich zu bezweifeln.

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