Die Europäische Union und die Türkei
Seit dem Ankara- Abkommen, im Jahr 1963 zwischen EWG und der Türkei zur Bildung einer Zollunion geschlossen, gibt es für die Türkei eine Beitrittsoption. Erst im Dezember 1999 wurde die Türkei in den Status des Beitrittskandidaten gehoben, und nochmals sechs Jahre später, im Oktober 2005, begannen die Beitrittsverhandlungen. Wie stockend die Verhandlungen verlaufen, ist allgemein bekannt. Die EU- Mitgliedsstaaten sind über eine Aufnahme der Türkei unterschiedlicher Ansicht, aber offenbar konnten sich die Befürworter immer durchsetzen. Auch die britische Regierung war dafür. Bei der Argumentation für einen Brexit spielte die drohende Einwanderung von Türken ebenfalls eine Rolle.
Nach einem Ja der Türken zu einer Änderung der Verfassung und der Regierungsform können die Europäer noch immer nicht zu einer konsequenten Haltung finden. Es wird herumgeeiert zwischen „ man darf die Men- schen in der Türkei nicht im Stich lassen“, „ die Türkei ist zur Sicherung der Ostflanke wichtig“, „ man darf die Gesprächsbasis nicht aufgeben“, „ man darf die Türkei nicht in die Arme Russlands treiben“und schließlich „ die Todesstrafe ist die röteste aller roten Linien“. Die Türkei hingegen hat mit Erdoğans Sagern – „ mit den Bäuchen unserer Frauen werden wir euch erobern“– und der Aufforderung an die in Europa lebenden Türken – „ macht nicht drei, sondern fünf Kinder“– den Europäern schon längst den Fehdehandschuh hingeworfen.
Anscheinend begreifen einige Politiker in der Union noch immer nicht, welche Absicht dahinter steckt und wohin das führen wird. Die Türkei hat jahrelang den IS unterstützt und damit gegen die im Kampf gegen den IS stehenden europäischen Verbündeten agiert. Nachdem die Türkei auch in den Kampf gegen den IS eingegriffen hat, hat sich bald herausgestellt, dass damit der Vorwand zum Einmarsch in Sy- rien zur Bekämpfung syrischer Kurden gefunden war.
Sollte die Türkei einst der EU beitreten, so wird sie aufgrund der Bevölkerungsanzahl entsprechenden Stimmgewichtung die Entscheidungen der EU maßgeblich beeinflussen.
Die Europäische Union muss sich, nomen est omen, auf den europäischen Kontinent beschränken. Es gibt genug zu tun, um das eigene Haus wieder in Ordnung zu bringen und mit den Nachbarn gute Verhältnisse herzustellen. Die Beziehungen zu Russland sind sehr verbesserungsbedürftig, und die Austrittsverhandlungen mit GB sollte die EU nicht als beleidigte Leberwurst führen, sondern das anzustrebende gute Verhältnis danach im Auge haben. Mit der Türkei als Nachbarn wird es immer Gespräche geben müssen. Die EU sollte jedoch damit aufhören, in missionarischem Eifer ihre Weltanschauung anderen Staaten und Völkern aufzuzwingen.