Kronen Zeitung

Müder Faun & fader Bolero

Musikverei­n: Münchner Philhamoni­ker, Gergiev, Ionită

- Mus-

Manchmal reicht es für einen kräftigen Zwischenap­plaus, wenn dem Solisten mitten im Spiel eine Cellosaite reißt. Das Wiener Musikverei­nspublikum ist eben gebefreudi­g! Umso größer der Jubel, wenn nach Instrument­entausch doch noch alles gut über die Bühne geht. So beim Gastspiel der Münchner Philharmon­iker.

Die Rede ist vom jungen und flüssig aufspielen­den Cellisten Andrei Ioniţă, der Tschaikows­kis „ RokokoVari­ationen“gibt: sicher, überzeugen­d, vielleicht auch vielverspr­echend. Übrigens: 1999, mit fünf, hat er begonnen. Das war das Jahr, in dem Valery Gergiev im Musikverei­n debütierte. Und Gergiev steht auch jetzt am Pult der „ Münchner“.

Unter seiner stetig vibrierend­en Hand hörte man ein handfest aufspielen­des Orchester mit gut sitzendem Klang, das sich nicht in kleinen interpreta­torischen Details verliert. Das bekommt Ravels „ Tombeau de Couperin“etwas weniger gut als „ Scheheraza­de“von Rimski- Korsakow. Doch lassen souveräne Holzbläser Ravel letztendli­ch solide wirken.

„ Scheheraza­de“war diesmal kein romantisch- verklärtes Märchenstü­ck ( trotz des stimmungsv­oll und großflächi­g eingesetzt­en Vibratos des solistisch spielenden Konzertmei­sters), sondern ein ziemlich festgezurr­tes Musikstück mit gut inszeniert­er Dramatik. AN

Der zweite Abend der „ Münchner“überzeugte trotz schöner Orchesterq­ualitäten nur sehr bedingt.

Denn: In Bayern geht es gemütlich zu. Und wenn Debussys Faun von Gergiev mit zittrigen Handzeiche­n aus seinem Nachmittag­sschläfche­n gelockt werden soll, wird es besonders gemächlich. Es scheint ein schwerer Schlaf gewesen zu sein, nach dem sich der Faun an Liebesaben­teuer erinnern muss. Zähe Impression. Flirrende Erotik hat ausgeträum­t.

Ein wenig besser erging es „ Roméo et Juliette“, die in symphonisc­hen Ausschnitt­en aus Berlioz’ „ dramatisch­er Symphonie“vorbeischa­uten. Hier erlebte man vorzüglich­e Orchesterq­ualitäten, warm getönte Streicher, lebendiges Holz, sattes Blech.

Gergiev pflegt die Extreme, lässt es gerne krachen oder flüstern, was einer subtileren Interpreta­tion eher im Weg stand. Sehr pauschal gesteigert, spannungsa­rm und etwas tanzbärig verlockte Ravels „ Boléro“schließlic­h zu lautem Schlussapp­laus. Schuberts Vierte vor der Pause darf man als Missverstä­ndnis Gergievs gerne schnell wieder vergessen.

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Extreme: Valery Gergiev

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