Ritterrüstungen scheppern nur kurz
Pfingstfestspiele Salzburg: Händels „ Ariodante“, G. Capuano, C. Loy, C. Bartoli
Liebe, Intrige, ein verpatzter Selbstmord und ein Kampf um die jungfräuliche Ehre einer Königstochter: Ritterromantik ist heuer bei Cecilia Bartolis feinem Salzburger Festival angesagt – mit Händels „ Ariodante“im Haus für Mozart. Ein Abend, der nach mehr als vier Stunden im Jubel endete.
Schottland bildet heuer die Klammer für die Pfingstfestspiele ( es folgt heute die konzertante Aufführung von Rossinis „ La donna del lago“), aber auch mittelalterliche Romantik und das böse Spiel mit echter Liebe. Blank polierte Ritterrüstungen scheppern dennoch nur kurz in der zwischen den Zeiten changierenden Bühnenversion ( ab 16. August bei den Sommerfestspielen).
Regisseur Christof Loy, Johannes Leiacker ( Bühne) und Ursula Renzenbrink ( Kostüme) verlegen Georg Friedrich Händels „ Dramma per musica“in kühles weißes Ambiente, in einen Raum mit Paneelen, der sich öffnet: Zu Tanz und Schäferspiel zur Liebesseligkeit mit einem Ausschnitt aus einem arkadischen LorrainBild.
Die Szene ergibt aber kein neues Operngefühl: ein Hofstaat, Männer in Designeranzügen und mit Bärten ( u. a. die Mitglieder des ausgezeichneten Salzburger Bachchores) machen Händels Oper austauschbar. Auch wenn die Intrige des Herzogs Polinesso gegen das liebende Paar Ariodante und Ginevra sehr theatralisch angelegt istund menschliche Abgründe wie Verzweiflung spürbar werden – Loy bleibt ganz in bekannter Sprache: So ergibt sich „ La Bartoli“im Freudentaumel einer halben Flasche Grand Marnier oder pafft eine Zigarre zur berühmten Arie „ Dopo notte, atra e funesta“– rauchlos! Das passiert während des Wandels vom bärtigen Helden zum glattrasierten Wesen mit langem Haar. Merk’s: die zwei Geschlechter in jedem – von Tony Curtis bis Conchita Wurst . . .
Dunkler, selbst in Freude wie bei obiger, wirkt die Stimme Cecilia Bartolis. Sie imponiert aber im tiefsten Leid ob des vermeintlichen Treuebruchs Ginevras, mit sanfter Klage und männlich aufbegehrender Wut. Bartoli hat ein routiniertes, mehr oder minder überzeugendes Sängerensemble um sich geschart, so Sandrine Piau als Dalindat. Kathryn Lewek als Prinzessin Ginevra bleibt stimmlich wie darstellerisch etwas eindimensional, ebenso Norman Reinhardt als Ariodantes Bruder Lurcanio und Nathan Berg als König von Schottland.
Imponierend dagegen Ariodantes perfider Widersacher Polinesso, dem man aber die Gemeinheit nur schwer abnimmt: Christophe Dumaux lässt seine Countertenor- Stimme in allen Lagen perlen. Perfekt!
Dirigent Gianluca Capuano und Les Musiciens du Prince aus Monaco erobern Händels Musik mit Detailgenauigkeit und Originalklang, verpassen aber immer wieder Spannung. Mehr Verve, mehr Farbe hätte dem Ganzen gut getan. Denn ganz so ein Langweiler war Händel nicht!