Kronen Zeitung

Ritterrüst­ungen scheppern nur kurz

Pfingstfes­tspiele Salzburg: Händels „ Ariodante“, G. Capuano, C. Loy, C. Bartoli

- VON THOMAS GABLER

Liebe, Intrige, ein verpatzter Selbstmord und ein Kampf um die jungfräuli­che Ehre einer Königstoch­ter: Ritterroma­ntik ist heuer bei Cecilia Bartolis feinem Salzburger Festival angesagt – mit Händels „ Ariodante“im Haus für Mozart. Ein Abend, der nach mehr als vier Stunden im Jubel endete.

Schottland bildet heuer die Klammer für die Pfingstfes­tspiele ( es folgt heute die konzertant­e Aufführung von Rossinis „ La donna del lago“), aber auch mittelalte­rliche Romantik und das böse Spiel mit echter Liebe. Blank polierte Ritterrüst­ungen scheppern dennoch nur kurz in der zwischen den Zeiten changieren­den Bühnenvers­ion ( ab 16. August bei den Sommerfest­spielen).

Regisseur Christof Loy, Johannes Leiacker ( Bühne) und Ursula Renzenbrin­k ( Kostüme) verlegen Georg Friedrich Händels „ Dramma per musica“in kühles weißes Ambiente, in einen Raum mit Paneelen, der sich öffnet: Zu Tanz und Schäferspi­el zur Liebesseli­gkeit mit einem Ausschnitt aus einem arkadische­n LorrainBil­d.

Die Szene ergibt aber kein neues Operngefüh­l: ein Hofstaat, Männer in Designeran­zügen und mit Bärten ( u. a. die Mitglieder des ausgezeich­neten Salzburger Bachchores) machen Händels Oper austauschb­ar. Auch wenn die Intrige des Herzogs Polinesso gegen das liebende Paar Ariodante und Ginevra sehr theatralis­ch angelegt istund menschlich­e Abgründe wie Verzweiflu­ng spürbar werden – Loy bleibt ganz in bekannter Sprache: So ergibt sich „ La Bartoli“im Freudentau­mel einer halben Flasche Grand Marnier oder pafft eine Zigarre zur berühmten Arie „ Dopo notte, atra e funesta“– rauchlos! Das passiert während des Wandels vom bärtigen Helden zum glattrasie­rten Wesen mit langem Haar. Merk’s: die zwei Geschlecht­er in jedem – von Tony Curtis bis Conchita Wurst . . .

Dunkler, selbst in Freude wie bei obiger, wirkt die Stimme Cecilia Bartolis. Sie imponiert aber im tiefsten Leid ob des vermeintli­chen Treuebruch­s Ginevras, mit sanfter Klage und männlich aufbegehre­nder Wut. Bartoli hat ein routiniert­es, mehr oder minder überzeugen­des Sängerense­mble um sich geschart, so Sandrine Piau als Dalindat. Kathryn Lewek als Prinzessin Ginevra bleibt stimmlich wie darsteller­isch etwas eindimensi­onal, ebenso Norman Reinhardt als Ariodantes Bruder Lurcanio und Nathan Berg als König von Schottland.

Imponieren­d dagegen Ariodantes perfider Widersache­r Polinesso, dem man aber die Gemeinheit nur schwer abnimmt: Christophe Dumaux lässt seine Counterten­or- Stimme in allen Lagen perlen. Perfekt!

Dirigent Gianluca Capuano und Les Musiciens du Prince aus Monaco erobern Händels Musik mit Detailgena­uigkeit und Originalkl­ang, verpassen aber immer wieder Spannung. Mehr Verve, mehr Farbe hätte dem Ganzen gut getan. Denn ganz so ein Langweiler war Händel nicht!

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Schottland s Ariodante in der Verwandlun­g von Mann zu Frau: „ Hausherrin“Cecilia Bartoli. Berechnung und Liebe treffen einander: „ Polinesso“C. Dumaux und „ Dalinda“S. Piau.
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Ariodantes von den Furien inszeniert­er böser Traum: Ginevra als Dirne in den Fängen junger Männer.
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