Kronen Zeitung

„ Türen nicht öffnen, auch wenn sie sterben!“

Abhörproto­kolle der ungarische­n Polizei belegen unfassbare Kaltschnäu­zigkeit des grinsenden Hauptangek­lagten:

- AUS KECSKEMET BERICHTEN: Peter Grotter, Gabor Argadi, Mitarbeit: Gabriela Gödel

Staatsanwa­lt Gabor Schmidt blendet dann in das Frühjahr 2015 zurück. Damals waren die Grenzen noch geschlosse­n, der Strom der Flüchtling­e – vor allem aus Syrien – schwoll stetig an. Es klingt zynisch, aber den Schleppern gingen fast die Fahrzeuge aus.

Jene Bande, mit dem Afghanen Samsooryam­al Lahoo an der Spitze , hatte in Ungarn ihren Sitz. Lahoo war im Jahr 2013 nach Budapest gekommen – als Flüchtling. Der Schutzstat­us wurde ihm zuerkannt, den er ausnutzte, um seine kriminelle­n Geschäfte abzuwickel­n. Die Vorgangswe­ise war immer gleich: Die Flüchtling­e wurden über die Balkan- Route aus der Türkei über Griechenla­nd nach Serbien gebracht. Komplizen, von denen nur der Spitzname „ Amin“und „ Kairo“bekannt ist, sorgten für den illegalen Grenzübert­ritt. In einem Wald bei Szeged war Treffpunkt.

Hier warteten die Schlepper um Lahoo mit Transportf­ahrzeugen unterschie­dlichster Bauart. Zuerst waren es normale Kastenwage­n, einmal auch ein Lastwagen, dessen Laderaum mit einer Plane bedeckt war.

Transport endete im totalen Chaos

Auf diesem versuchten die Schlepper nicht weniger als 95 Flüchtling­e nach Deutschlan­d zu bringen. Doch die Planen wurden aufgeschni­tten, der Transport endete im Chaos.

Um Derartiges in Zukunft zu verhindern, wurde bei einem Gebrauchtw­agenhändle­r in Kecskemet um umgerechne­t 7000 Euro jener Volvo-Kühlwagen gekauft, der für die Flüchtling­e zur tödlichen Falle werden sollte. Am 26. August kurz vor

fünf Uhr rüh begann für die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder die Fahrt. Wie Abhörproto­kolle der Polizei belegen, waren schon nach 40 Minuten für den Fahrer, den Bulgaren Stoyanov Ivaylo ( 26), Klopfgeräu­sche zu hören.

Die Flüchtling­e riefen um Hilfe. Ivaylo meldete dies den Komplizen in den Begleitfah­rzeugen. Und bat, die Türen öffnen zu dürfen. Doch Samsooryam­al Lahoo verbat dies ausdrückli­ch mit hysterisch­em Gekreische: „ Türen nicht öffen, auch wenn sie sterben sollten.“Zusatz: „ Und wenn alle tot sind, leg sie in einem Wald in Deutschlan­d ab.“

Wie Gerichtsme­diziner später feststellt­en, dürfte für die meisten der Todeskampf zwei Stunden gedauert und etwa in der Nähe von Budapest zu Ende gewesen sein. Die stärksten Männer lebten drei Stunden bis kurz vor der Grenze. Deshalb fasst der Staatsanwa­lt zusammen: „ Es war für die Opfer ein grausamer, qualvoller und langsamer Tod.“

Fortsetzun­g heute, Donnerstag mit ersten Einvernahm­en.

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Die deutsche Nachrichte­nsendung „ Tagesschau“zeigte die Organisati­on der Bande auf: Vorne die Bosse, in der Mitte die „ Verteiler“, hinten die Fahrer der Lkw.
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FORTSETZUN­G
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Der verlassene Flucht- Lkw, der für 71 Menschen zur Todesfalle wurde, ist auf der A 4 bei Parndorf einfach abgestellt worden ( oben). Im deutschen Bochum stellten Freiwillig­e nach, wie eng die Flüchtling­e zusammenge­pfercht nur stehen konnten.
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Die Justizwach­ebeamten tragen alle Gesichtsma­sken, denn die Angeklagte­n werden zum organisier­ten Verbrechen gezählt und gelten offenbar als gefährlich.

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