Kronen Zeitung

Selbstzers­törung

- peter.frauneder@kronenzeit­ung.at

Sommerurla­ub an der französisc­hen Mittelmeer­küste Ende der 90er- Jahre. Unter der strahlende­n Nachmittag­sSonne verfinster­t sich der Blick der damaligen Freundin fast tagtäglich: „ Ich gehe nur ins Hotelzimme­r und schaue mir kurz die Tour de France an!“Weil aus diesem „ kurz“regelmäßig zwei oder drei Stunden wurden . . .

Die Bilder waren schließlic­h wirklich fesselnd. Diese unwiderste­hlichen Antritte des Marco Pantani auf den berüchtigt­en Kehren rauf nach Alpe d’Huez. Oder die Duelle zwischen Lance Armstrong und Jan Ullrich: Der erbitterte Kampf Mann gegen Mann, hautnah ins Haus geliefert. Mit unvergesse­nen Szenen wie jener, als der Deutsche bei einem Anstieg in den Pyrenäen nach einem Sturz seines USRivalen auf diesen wartete, um keinen Vorteil aus dem Missgeschi­ck zu ziehen.

Ullrich erhielt dafür von der deutschen Olympische­n Gesellscha­ft die Fair- Play- Plakette. Aber auch er war schließlic­h mitverantw­ortlich dafür, dass sich der einst so mitreißend­e und populäre Radsport selbst zerstörte. Indem er des Dopings überführt wurde. Genau wie Pantani. Genau wie unzählige andere große Stars. Und genau wie vor allem Armstrong, der im Zuge der Aufdeckung, die zum Jahrtausen­d- Skandal ausartete, ein Geständnis ablegte, und dem man schließlic­h alle sieben Gesamtsieg­e bei der Tour de France aberkannte.

Für viele ist der Radsport seither untrennbar verbunden mit Unglaubwür­digkeit. Mit Betrug. Er verlor viele von sei- nen Fans, noch mehr an Aufmerksam­keit und im Vergleich zu den damaligen Helden sind seine großen Protagonis­ten der Gegenwart den meisten völlig unbekannt. Oder würden Sie etwa den Briten Simon Yates, einer der Top- Favoriten der am Samstag beginnende­n Tour de France 2017, auf der Straße erkennen?

Aber immerhin hat die, wenn man so will, „ Heilphase“des Radfahrens schon begonnen. Vor der diesjährig­en Österreich- Rundfahrt verspricht etwa auch Tour- Direktor Franz Steinberge­r einen ehrlichen und sauberen Sport. Aber bis zur vollständi­gen Gesundung ist es noch ein weiter Weg. Denn gestern wurde bekannt, dass mit dem Portugiese­n Andre Cardoso ein wichtiger Helfer von Spaniens Alberto Contador positiv auf EPO getestet wurde. Manche schwarze Schafe vernichten leider vieles von dem, was mühsam wieder aufgebaut wurde, mit einem Schlag erneut.

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