Kronen Zeitung

Wie negativ dürfen Zinsen sein?

WennBanken Kapital anlegen, zahlen sie „ Strafe“. Kreditnehm­er sollen Geld zurückbeko­mmen. Eine verkehrte Welt

- Manfred Schumi

Es ist gar nicht so lange her, da war die Welt des kleinen Sparers noch in Ordnung: Man trug sein Geld auf die Bank und es vermehrte sich dort durch die Zinsen. Wenn man einen Kredit brauchte, musste man Zinsen zahlen, das war völlig normal.

Doch nach der Wirtschaft­skrise in den Jahren 2008 und 2009 und den großen Problemen vieler Staaten mit zu hohen Schulden griff die Europäisch­e Zentralban­k ( EZB) ein. Sie senkte ihre Leitzinsen Richtung null. Das bedeutete, dass die Sparer auf einmal deutlich weniger als die Inflation erhielten und real Geld verloren. Für Kreditnehm­er – sowohl private als vor allem auch die Staaten – bedeutete das eine enorme Erleichte- rung. Die Finanzmini­ster rieben sich die Hände.

Doch dann geschah noch etwas: Die EZB erfand die „ Negativzin­sen“. Banken, die Liquidität ( also Geld von Kunden, das sie nicht sofort ausgeben) wie üblich bei der Notenbank „ parken“, bekamen dafür keine Zinsen, sondern mussten welche zahlen. Aktuell betragen diese Strafzinse­n 0,4 Prozent. Damit wollte EZB- Chef Draghi einerseits erreichen, dass mehr Kredite vergeben werden, weil das Horten von Kapital „ bestraft“wird. Das hat lange Zeit aber nicht wirklich funktionie­rt.

Der zweite Effekt war, dass „ die Banken quasi so auch einen Beitrag zur Bewältigun­g der Krise leisten, neben den Staaten und den Sparern, die den Großteil bezahlt haben“, interpreti­ert das Franz Hahn, langjährig­er Bankenexpe­rte im WIFO. Durchaus gewollt war wohl, dass die Zinsspanne der Banken durch die EZBPolitik schrumpfte und sie seither weniger verdienen. Hahn: „ Dafür können sie sich günstig bei der Notenbank refinanzie­ren.“

OGH- Urteil: Die OeNB prüft jetzt die Folgen

Doch eine Folge war, dass erstmals der sogenannte Euribor Anfang 2015 ins Minus rutschte ( siehe Grafik). Das ist jener „ Referenzsa­tz“zwi-

Durch die Negativzin­sen haben die Banken quasi einen Beitrag zur Sanierung nach der Wirtschaft­skrise gezahlt.

Banken- Experte Franz Hahn

schen Banken, der zur Berechnung der Kreditzins­en dient. Bei variablen Krediten errechnet sich der Zinssatz üblicherwe­ise aus dem Euribor plus einem Aufschlag der Bank.

Nun stellt sich die Frage, ob man bei einem laufenden Kredit den negativen Euribor von den Zinsen abziehen muss. Ein Urteil des OGH nach einer Klage der AK in Österreich diese Woche geht in diese Richtung. Die Nationalba­nk lässt jetzt prüfen, wie viele Kredite davon betroffen sein könnten. Wenn jemand einen Fixzinskre­dit hat, ist er in keinem Fall betroffen. Österreich zählt zu den wenigen Ländern, in denen variable Zinsen lange Zeit üblich waren. „ Aber jetzt nehmen alle vernünftig­en Leute nur mehr einen Fixzinskre­dit“, rät Experte Hahn. Denn tiefer werden die Raten wohl nicht mehr fallen, in „ zweieinhal­b bis drei Jahren wird sich die Zinslandsc­haft wohl normalisie­rt haben“. Bis dahin kann man zumindest sicher sein, dass Sparer keine Negativzin­sen zahlen müssen, wenn sie Geld anlegen. Auch das hat bei uns sogar das Höchstgeri­cht festgestel­lt. Anders ist es bei Großkunden. Immer wieder geben Banken die Negativzin­sen, die sie bei der EZB zahlen, an Firmen weiter, die große Beträge bei ihnen „ parken“. In Österreich komme das außer in Einzelfäll­en kaum vor, bestätigt OeNB- Sprecher Christian Gutlederer.

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