Wie negativ dürfen Zinsen sein?
WennBanken Kapital anlegen, zahlen sie „ Strafe“. Kreditnehmer sollen Geld zurückbekommen. Eine verkehrte Welt
Es ist gar nicht so lange her, da war die Welt des kleinen Sparers noch in Ordnung: Man trug sein Geld auf die Bank und es vermehrte sich dort durch die Zinsen. Wenn man einen Kredit brauchte, musste man Zinsen zahlen, das war völlig normal.
Doch nach der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 und den großen Problemen vieler Staaten mit zu hohen Schulden griff die Europäische Zentralbank ( EZB) ein. Sie senkte ihre Leitzinsen Richtung null. Das bedeutete, dass die Sparer auf einmal deutlich weniger als die Inflation erhielten und real Geld verloren. Für Kreditnehmer – sowohl private als vor allem auch die Staaten – bedeutete das eine enorme Erleichte- rung. Die Finanzminister rieben sich die Hände.
Doch dann geschah noch etwas: Die EZB erfand die „ Negativzinsen“. Banken, die Liquidität ( also Geld von Kunden, das sie nicht sofort ausgeben) wie üblich bei der Notenbank „ parken“, bekamen dafür keine Zinsen, sondern mussten welche zahlen. Aktuell betragen diese Strafzinsen 0,4 Prozent. Damit wollte EZB- Chef Draghi einerseits erreichen, dass mehr Kredite vergeben werden, weil das Horten von Kapital „ bestraft“wird. Das hat lange Zeit aber nicht wirklich funktioniert.
Der zweite Effekt war, dass „ die Banken quasi so auch einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten, neben den Staaten und den Sparern, die den Großteil bezahlt haben“, interpretiert das Franz Hahn, langjähriger Bankenexperte im WIFO. Durchaus gewollt war wohl, dass die Zinsspanne der Banken durch die EZBPolitik schrumpfte und sie seither weniger verdienen. Hahn: „ Dafür können sie sich günstig bei der Notenbank refinanzieren.“
OGH- Urteil: Die OeNB prüft jetzt die Folgen
Doch eine Folge war, dass erstmals der sogenannte Euribor Anfang 2015 ins Minus rutschte ( siehe Grafik). Das ist jener „ Referenzsatz“zwi-
Durch die Negativzinsen haben die Banken quasi einen Beitrag zur Sanierung nach der Wirtschaftskrise gezahlt.
Banken- Experte Franz Hahn
schen Banken, der zur Berechnung der Kreditzinsen dient. Bei variablen Krediten errechnet sich der Zinssatz üblicherweise aus dem Euribor plus einem Aufschlag der Bank.
Nun stellt sich die Frage, ob man bei einem laufenden Kredit den negativen Euribor von den Zinsen abziehen muss. Ein Urteil des OGH nach einer Klage der AK in Österreich diese Woche geht in diese Richtung. Die Nationalbank lässt jetzt prüfen, wie viele Kredite davon betroffen sein könnten. Wenn jemand einen Fixzinskredit hat, ist er in keinem Fall betroffen. Österreich zählt zu den wenigen Ländern, in denen variable Zinsen lange Zeit üblich waren. „ Aber jetzt nehmen alle vernünftigen Leute nur mehr einen Fixzinskredit“, rät Experte Hahn. Denn tiefer werden die Raten wohl nicht mehr fallen, in „ zweieinhalb bis drei Jahren wird sich die Zinslandschaft wohl normalisiert haben“. Bis dahin kann man zumindest sicher sein, dass Sparer keine Negativzinsen zahlen müssen, wenn sie Geld anlegen. Auch das hat bei uns sogar das Höchstgericht festgestellt. Anders ist es bei Großkunden. Immer wieder geben Banken die Negativzinsen, die sie bei der EZB zahlen, an Firmen weiter, die große Beträge bei ihnen „ parken“. In Österreich komme das außer in Einzelfällen kaum vor, bestätigt OeNB- Sprecher Christian Gutlederer.