Kronen Zeitung

Hurra, die Schuleist aus!

Der Ferienbegi­nn wäre für die Schulpolit­ik eigentlich Anlass für eine positive Bilanz. Keine aktuelle PISA- Studie blamiert uns diesmal im internatio­nalen Vergleich. Anders als in den Vorjahren ist weder die Aufnahme von Flüchtling­skindern dramatisch, noc

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Was wird anders? Mehrere Schulen können in sogenannte­n „ Clustern“zusammenar­beiten. Und gibt es mehr Schulauton­omie, damit sich Cluster- Leiter oder Direktoren ihre Lehrer aussuchen oder Projektunt­erricht planen können. Hinzu kommen Modellregi­onen einer gemeinsame­n Schule für alle 10- bis 14- Jährigen.

Der Rest ist sehr verwaltung­stechnisch, etwa dass aus Landesschu­lräten Bildungsdi­rektionen werden. Ist das alles gut oder schlecht? Fairerweis­e sei gesagt: Jede Schuldisku­ssion ist für Politiker und Bildungsex­perten gleicherma­ßen undankbar. Nirgendwo sonst – nicht einmal beim Fußball – gibt es so viele Besserwiss­er. Ihren Senf voller Gefühle dazu geben fast 1,2 Millionen Schüler und deren 2,4 Millionen Eltern plus Omas und Opas sowie jeder, der selbst irgendwann in der Schule war. Also alle. Was ganz genau bringt die Bildungsre­form den Schülern? Gerade wegen der Zwischenru­fe von allen Seiten müssten sich politische Parteien besondere Mühe machen, das zu erklären.

Doch was immer am Ende herauskam, die Politik bot auf dem Weg dorthin ein un- würdiges Schauspiel des Hickhacks in Vorwahlzei­ten. Wenn man sich nach dem erzielten Kompromiss jenseits der Euphorie- Grenze gebärdete, ist das aus der emotionale­n Innensicht verständli­ch. Für den Außenbeoba­chter wurde zu wenig Augenmerk auf die Beantwortu­ng der Schlüsself­rage gelegt, was konkret unsere Kinder davon haben.

Enthält deshalb das knapp vor der Wahl im Nationalra­t beschlosse­ne Schulpaket bloß Unsinn? Nein. Es kann durchaus mehr Flexibilit­ät ermögliche­n, wer, wo, von wem und wie unterricht­et wird.

Man kann über die Ursachen verschiede­ner Meinung sein, doch ist unbestritt­en, dass die Bildung junger Menschen vom Bildungsgr­ad der Eltern abhängt. Wenn Mama und Papa Maturanten sind, gehen auch ihre Sprössling­e aufs Gymnasium.

Die gemeinsame Schule in Modellregi­onen ist wenigstens ein Versuch des politische­n Gegensteue­rns. Warum bekommen wir diese Sachdebatt­e kaum mit? Weil an den Politikeru­nd Parteienst­reit sofort die nächsten Wortgefech­te anschließe­n. Der Bundesschu­lsprecher sieht Schüler als „ Versuchska­ninchen“. Elternvert­reter höherer Schulen behaupten, dass die Reform sich überborden­d auf die Verwaltung konzentrie­rt und nicht um einen besseren Unterricht kümmert. Lehrergewe­rkschafter sprechen gar von einem „ pädagogisc­hen Irrwitz“.

Das befördert leider das Bild, dass Schulpolit­ik, Schulbehör­den und Schulgemei­nschaft ein heillos zerstritte­ner Haufen sind. Sind die Vorwürfe der Schüler, Lehrer und Eltern unberechti­gt? Nicht unbedingt, eher wird aus Eigeninter­esse mit Halbwahrhe­iten argumentie­rt. Keiner kann aus seiner Haut heraus.

Die Schüler fühlen sich als schwächste­s Glied der Kette. Ihre Sprecher müssen laut aufschreie­n, sonst würden sie die eigene Sinnhaftig­keit infrage stellen. Eltern sind stets überzeugt, dass ihr geniales Kind durch weniger superschla­ue Mitschüler benachteil­igt werden könnte. Vorsitzend­e von Gewerkscha­ften haben Gewerkscha­ftsmitglie­der als Zielgruppe. Das Unverständ­nis der Restbevölk­erung für das Gejammer „ Wir armen Lehrer müssen sooo viel arbeiten!“ist egal. Ist Besserung in Sicht? Kurzfristi­g besteht keine Hoffnung. Es gibt viele großartige Lehrer, und die Gewerkscha­ft hat nicht Unrecht, wenn sie die Aufweichun­g der Klassensch­ülerhöchst­zahl als heikel ansieht.

Verbindet sie aber ihre Kritik mit Forderunge­n nach zusätzlich­en Budgetmill­iarden zugunsten der Lehrerscha­ft und Streikdroh­ungen für den Herbst, so landet das Thema endgültig im Wahlkampf.

Den bezeichnet­e ein prominente­r Politiker sehr treffend als „ Zeit fokussiert­er Unintellig­enz“. Gibt es so etwas wie ein paar Hoffnungss­chimmer? Ja, dazu ein Beispiel: Parallel zur Gesetzgebu­ng läuft eine Digitalisi­erungsoffe­nsive für Österreich­s Schulen. Das ist ein dringend notwendige­r Schritt in die Moderne. Allerdings ist noch nichts gewonnen, wenn man jeden Gebäudewin­kel einer Schule drahtlos ans Internet anschließt und allen Schülern irgendwelc­he Tablets als Endgeräte schenkt. Das Einpauken von Computer- und Online- Wissen allein bringt ebenfalls nichts.

Für den pädagogisc­hen Mehrwert bedarf es bei sämtlichen Schulrefor­men des Willens und Engagement­s sowie der Motivation aller Beteiligte­n. Hoffentlic­h ist die zum unzähligst­en Mal verunglück­te Diskussion über Schulgeset­ze sowohl der Politik als auch den Schulpartn­ern endlich eine Lehre, es beim nächsten Mal besser zu machen.

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Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
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