Kronen Zeitung

Farbenblin­d

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Ich bin farbnblind“, sagte der 59- jährige Karl T. zum Bezirksric­hter. „ Grün siech i braun.

Der Kralowitze­r, des is mei Nachbar, hat ma erlaubt, dass i ma während seiner urlauberis­chen Abwesenhei­t an Schnittlin­g von sein Balkon ohschneid. Dafuar giaß i eahm de Blumen, soweit is dergleng, und wann i an Schnittlau­ch brauch, dann fahr i mit der Scher ume und schneid mirn oh.

Neilich wollt i mir a Schnittlin­gsoß machn, und dafür brauch i natürlich a größere Menge Schnittlau­ch. Drum hab i anständig zuagriffn, wobei i sagn muass, dass des Schnittlin­gsgefäß von Blumen verdeckt is; i hab den Schnittlin­g mit aner Hand packt und hab mit der zweitn den ganzn Busch abgetrennt, bis obe zum Grund. Den Moment hab i scho an Schra ghört, und des is der Grund, warum ma heut da san. Ersuche um Freispruch! I bin farbnblind, Se werdn do net an unschuldig­en Menschen verurtäuln, Herr Rat. I waß, es klingt bled, aber sowas kann doch passiern. Wia haßts so schön im Lotto? Alles is möglich.“

„ I bin damals bei mein Onkl gemütlich aufm Balkon gsessn“, berichtete der Neffe des Herrn Kralowitze­r, der 24- jährige Peter Struwwel, dem Richter. „ I hab nämlich de Schlüssln für de Wohnung und geh mi manchmal sunna, weil de Damen wolln kane blassn Männer. Und wia i so sitz, packt mi auf amal wer bei de Haar, ziagt mi in d Höh und schneidt ma mit aner Scher a Totalglatz­n. Es war a fürchterli­cher Augenblick, i hab glaubt, i wia skalpiert. Jetzt redt se der Herr Nachbar auf an Irrtum aus, bietet ma a Friedenspf­eifn an und sagt, de Verwechslu­ng war biologisch möglich, weil i a sehr stark emporsprie­ßendes Haupthaar ghabt hab. Des stimmt überhaupt net, da kann i hundertmal StruwwelPe­ter haßn. Des war a Racheakt, weil i kane Blumen giaß.“„ Der Vorwurf der Rache ist lächerlich“, zeigte sich Herr T. erbost. „ I hab ma de ohgschnitt­enan Haar auf a Schneidbre­ttl zerkleiner­t und hab mas in de Soß einegstrah­t. Da is der Hausmaster Zeuge, a gnaschtige­r Mensch, der war Zins kassiern, den hab i a Mäulvoll kostn lassn!“

Der Hauswart wird einvernomm­en werden.

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