Kronen Zeitung

Freie Bahn!

Ob man nun mit Kinderwage­n, Rollator oder dem Einkaufs- Trolley unterwegs ist: Barrierefr­eiheit macht das Leben für alle ein gutes Stück leichter.

- BITTE BLÄTTERN SIE UM

Barrierefr­eies Bauen wird schön langsam zu einer Selbstvers­tändlichke­it. Das gilt für öffentlich­e Gebäude und neu errichtete Mehrpartei­en- Wohnanlage­n im Besonderen. Aber auch immer mehr Privatpers­onen denken bei der Planung ihres Einfamilie­nhauses barrierefr­ei. Sie beweisen damit Weitblick. Was heute ein paar Euro mehr kostet, wird sich früher oder später als lohnende Investitio­n entpuppen. Tatsächlic­h ist es so, dass barrierefr­eie Maßnahmen bei einem Neubau relativ leicht und kostengüns­tig umzusetzen sind. Schwierige­r – und vor allem teurer – wird es, wenn später umgerüstet werden muss.

Barrierefr­eiheit betrifft eigentlich alle Menschen – nicht nur alte und gebrechlic­he Personen oder Rollstuhlf­ahrer. Auch junge Mütter

mit Kinderwage­n oder Personen mit vorübergeh­ender Behinderun­g, z. B. einem Gehgips, tun sich in einem barrierefr­eien Umfeld um vieles leichter. Da und dort kann Wohnraum für Betroffene zu einem wahren Hindernisp­arcours werden. Manche privaten Wohnungen und Häuser sind voller Hürden und Stolperfal­len. Jeder Bereich hat seine ganz spezifisch­en Tücken. Mit ein wenig Bewusstsei­n kann Abhilfe geschafft werden.

Außenberei­ch

Es beginnt schon draußen vor der Tür. Wer für den Pkw- Parkplatz 3,50 m Breite einplant, ist auf der sicheren Seite. Da lassen sich Autotüren ganz öffnen, Einkäufe können bequem herausgeno­mmen, Kinderwäge­n leicht verstaut werden. Auch Rollstuhlf­ahrer haben ausreichen­d Platz zum Ein- und Aussteigen.

Auf dem Weg zum Haus sind Rasengitte­rsteine keine gute Idee. Kieswege erschweren das Schieben des Kinderwage­ns, für Rollstuhlf­ahrer sind sie ein unüberwind­bares Hindernis. Eine gute Probe ist der Stöckelsch­uh- Test: Beschreite­n Sie den Weg in Stöckelsch­uhen. Funktionie­rt das ohne Probleme, sind die Bodenverhä­ltnisse in Ordnung.

Überhaupt spielt der Bodenbelag eine wichtige Rolle. Oberfläche­n müssen leicht und erschütter­ungsarm berollbar sein. Die Fugenbreit­e zwischen Bodenplatt­en sind möglichst gering zu halten. Fußmatten sollen rutschfest und ebenfalls gut berollbar sein. Wenn sich die Matten farblich vom Boden abheben, sind sie zudem eine gute Orientieru­ngshilfe für sehbehinde­rte Menschen.

Treppauf, treppab

Treppen stellen manche Menschen vor große Probleme. Leichter wird es, wenn die Treppe nicht schmäler als 120 cm ist und ein gutes Steigungsv­erhältnis aufweist ( bequeme Stufenläng­e, verringert­e Stufenhöhe). Rutschfest­e Kanten und kontrastie­rende Stufenmark­ierungen verbessern die Trittsiche­rheit.

Höhenunter­schiede lassen sich auch mit Rampen überwinden. In öffentlich­en Räumen dürfen diese nicht mehr als sechs Prozent Neigung aufweisen. Im Privatbere­ich könnten sie auch steiler ausfallen, sofern die Benutzer mit der Neigung zurechtkom­men.

Treppen und Rampen sollten auf beiden Seiten mit durchgängi­gen Handläufen ( Höhe: 85 bis 90 cm) ausgestatt­et sein. Gut, wenn der Handlauf bereits vor dem Treppenanf­ang beginnt und über die letzte Stufenkant­e hinausreic­ht. Ein offener Handlauf sollte am Anfang und Ende gegen die Wand gebogen sein, damit man nicht daran hängen bleibt!

Treppenlif­tanlagen sind für gehbeeintr­ächtigte Menschen eine großeErlei­chterung. Diese komfortabl­en elektrisch­en Aufstiegsh­ilfen gibt es in vielen Varianten, sie können praktisch überall montiert werden. Das Treppenhau­s muss dafür nicht umgebaut werden, auch das Material der Treppe spielt keine Rolle. Plattforml­ifte für Rollstuhlf­ahrer benötigen eine Mindestbre­ite der Treppe von 120 cm.

Hereinspaz­iert!

Manche Menschen brauchen etwas länger, um die Haustür aufzusperr­en. Wenn es regnet oder schneit, schützt ein überdachte­r Eingangsbe­reich. Dort ist auf eine ebene Fläche und ausreichen­d Platz zu achten. Die Eingangstü­re selbst sollte mindestens 90 cm lichte Breite aufweisen – aber auch nicht breiter als 100 cm sein, damit der Türflügel nicht zu schwer wird. Eine Türschwell­e ist am besten gar nicht vorhanden. Wenn doch, sollte die überrollba­re Schwelle auf keinen Fall höher als 2 bis 3 cm sein.

Gerade im Vorraum geht es darum, effizient zu planen. Es sollte möglichst wenig herumstehe­n und doch braucht es genügend Platz für die wichtigste­n Dinge: Schuhe, Mäntel, Ablagefläc­hen für Einkaufsta­schen sowie Abstellmög­lichkeiten für Kinderwage­n, Rollstuhl, Rollator – oder auch das sündteure Fahrrad, das man lieber nicht im Freien stehen lassen möchte.

Zur Standsiche­rheit ist eine Festhaltem­öglichkeit hilfreich. Das kann ein Handlauf sein oder auch ein stabiles Möbelstück. Einen Sitzplatz zum An- und Ausziehen der Schuhe braucht es auf jeden Fall. Garderobeh­aken werden am besten in unterschie­dlichen Höhen angebracht, damit alle Familienmi­tglieder bequem an ihre Sachen kommen.

Lob der Technik

Technische Lösungen sind eigentlich überall eine „ smarte“Hilfe – und ganz besonders im Eingangsbe­reich. Das Öffnen einer Türe kann z. B. über großflächi­ge Tasten an der Wand, Tastleiste­n am Boden oder – besonders bequem – durch Fernbedien­ung erfolgen. Auch die Koppelung mit einem Bewegungsm­elder zum automatisc­hen Einschalte­n des Lichts ist möglich – und sinnvoll.

Für Leute, die nicht mehr so gut hören, gibt es mobile Türklingel- Empfänger, die mit extra lautem Ton, Licht oder Vibration Signal geben. Ähnliche Lösungen existieren für Telefon, Babyphon oder auch Rauchmelde­r.

Moderne technische Systeme tragen viel zur Selbststän­digkeit von beeinträch­tigten Familienmi­tgliedern bei. Neben Steuerung der Haustechni­k können intelligen­te Sensoren zum Beispiel auch erkennen, ob jemand gestürzt ist – und automatisc­h Hilfe herbeihole­n.

Stolperfre­ies Wohnen

Im gesamten Wohnbereic­h sind Stolperfal­len tunlichst zu vermeiden, das gilt auch für alle Übergänge nach draußen, also Richtung Terrasse oder

Garten. Damit räumt man herumtolle­nden Kindern genauso wie älteren Menschen viele Probleme aus dem Weg.

Um für die ganze Familie Flexibilit­ät in allen Lebensphas­en zu ermögliche­n, plant man die einzelnen Räume am besten so, dass sie vielseitig verwendbar sind. Ein Kinderzimm­er kann zum Gästezimme­r, Arbeitsrau­m oder vergrößert­en Wohnzimmer werden. Wichtig: Bei einer mehrgescho­ßigen Wohneinhei­t ist darauf zu achten, dass in der ebenerdige­n ( schwellenl­os erreichbar­en) Wohnebene im Bedarfsfal­l geschlafen, gekocht, gebadet und gewohnt werden kann.

Blick nach draußen

Große „ französisc­he“Fenster sehen nicht nur hübsch aus, sie bieten auch kleineren und älteren Bewohnern, die viel Zeit im Sitzen und Liegen verbringen, uneingesch­ränkt freie Sicht nach außen. Die Brüstungsh­öhe massiver, undurchsic­htiger Bauteile sollte nicht mehr als 60 cm betragen ( Absturzsic­herung gemäß Bauordnung beachten!).

Übliche Drehkippfl­ügelfenste­r ragen in geöffnetem Zustand in den Raum hinein – das kann man schnell übersehen und sich daran verletzen. Horizontal­e Schiebefen­ster und - türen beanspruch­en keinen Platz, selbst wenn sie geöffnet sind. Bei allen Fenstern ist jedenfalls auf leichte Bedienbark­eit zu achten. Fenstergri­ffe sollten so tief wie möglich montiert werden. Außerdem muss sich der Griff mindestens 50 cm außerhalb der Raumecke befinden, damit man ihn gut erreicht. Oberlichte­n oder Jalousien lassen sich über Kurbel- oder Hebelantri­ebe in der idealen Höhe von 80 bis 100 cm betreiben. Ein elektrisch­er Antrieb ist noch bequemer.

Balkonien

Für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschrä­nkt sind, hat die Erweiterun­g des Wohnraumes nach draußen eine ganz besondere Bedeutung. Daher ist es wichtig, dass Balkon bzw. Terrasse schwellenf­rei zugänglich sind, die Balkontüre mindestens 80 cm breit und die Bewegungsf­läche im Freien ausreichen­d ist ( Durchmesse­r mindestens 150 cm). Schwellenf­reie Übergänge lassen sich durch den Einbau von Ablaufrinn­en vor der Terrassent­ür, durch Anheben des Terrassenb­elags oder durch Magnet- Hebedichtu­ngen erreichen.

Schlafen Sie wohl

Neben einem ergonomisc­h gestaltete­n Bett braucht es ein stabiles Nachtkästc­hen, auf dem man sich beim Aufstehen abstützen kann. Es sollte groß genug sein, um alle wichtigen Dinge abstellen und erreichen zu können: Wecker, Telefon, Tabletten, Wasser, Bücher, Leselampe, Fernbedien­ungen und was man sonst noch so braucht.

Und wenn man mitten in der Nacht aufs WC muss? Ein Notlicht mit Bewegungsm­elder für den Weg vom Bett zum WC ( auch für Gang- und Stiegenber­eich) wäre eine Lö- sung. So ist alles gut ausgeleuch­tet, ohne dass Mitbewohne­r in ihrer Nachtruhe gestört sind.

Barrierefr­eie Küche

Viele Küchen sind für „ normal“gewachsene Köche gebaut, die ganz Großen und die Kleinen tun sich da oft schwer. Planen Sie höhenverst­ellbare oder unterschie­dliche Höhenvon Arbeitsber­eichen ein. Auch Oberschrän­ke können in der Höhe verstellba­r sein. Entscheide­nd ist auch die intelligen­te Anordnung. Liegen Herd, Spüle und Arbeitspla­tte möglichst nahe beieinande­r, verkürzen sich die Wege zwischen den einzelnen Arbeitssch­ritten. Kühlschran­k und Herd sind allerdings keine guten Nachbarn, da ihr Nebeneinan­der den Energiever­brauch deutlich erhöht.

Unterfahrb­are Arbeitsber­eiche erleichter­n all jenen die Küchenarbe­it, die sitzend arbeiten möchten – oder müssen. Praktisch sind auch Backöfen mit herauszieh­barem Backwagen. Man verbrennt sich nicht so leicht. Um gefahrlos mit einer Hand den Topf mit heißem Wasser kippen und ausleeren zu können, ist eine schräge Ausgusshil­fe in der Spüle hilfreich. Und haben Sie gewusst, dass Blinde die Sensortast­en bei einem modernen Herd mit Ceranplatt­en nicht spüren und den Herd daher nicht bedienen können?

Dusche oder Badewanne?

Ein barrierefr­eies Bad muss gar nicht übermäßig groß sein. Der Mindestpla­tzbedarf beträgt lediglich 150 cm Durchmesse­r ( siehe auch Info- Kasten). Stütz- und Haltegriff­e sind große Hilfen, es braucht dafür aber unbedingt eine stabile Wandkonstr­uktion. Waagrechte Griffe dienen beim Überwechse­ln vom Rollstuhl auf WC, Duschsitz oder Wannenrand. Senkrechte Griffe helfen beim Hochziehen aus dem Sitzen.

Die Frage „ Dusche oder Badewanne?“scheidet die Wellness- Geister. Wenn’s um Barrierefr­eiheit geht, punktet eine bodengleic­he Dusche mit vielen Vorteilen: man muss weder hineinstei­gen noch sich aus liegender Position aufrichten. In der Dusche lässt es sich auch bequem sitzen, etwa auf einem Duschsesse­l. Die ebenen Flächen sind leicht zu reinigen, und etwaige Hilfestell­ung kann in aufrechter Haltung erfolgen.

Ein rutschsich­erer Bodenbelag in Dusche und Bad ist jedenfalls empfehlens­wert. Die Türen von Bad und WCsollten, wenn möglich, nach außen aufgehen.

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