„ Mein Leib schreit nach Leben“
Salzburger Festspiele: Schostakowitsch „ Lady Macbeth“, Jansons, Kriegenburg
Salzburgs Ex- Festspielchef Gérard Mortier träumte davon, Oper stets zur aufregenden SchauOper zu machen. Und nannte sein „ Lehrbuch“„ Oper zum Theater machen“. Er wäre hier glücklich gewesen: Mariss Jansons & Andreas Kriegenburg präsentieren in Salzburg Schostakowitschs „ Lady Macbeth“als aufregendes Opernschauspiel.
Regisseur Kriegenburg gelingt ein erregender Krimi, bei dem man von Anfang ahnt, in welche Todesfalle da die Beteiligten gehen werden. Eine spannende, dramatisch- packende, in der Charakterisierung der Figuren tief beeindruckende Produktion, die mit enthusiastischem Jubel, mit Bravi und langen Ovationen gefeiert wurde. Zu Recht.
Jansons trat bei den Salzburger Festspielen erstmals als Operndirigent an. Am Pult der Wiener Philharmoniker sorgt er für ein Ereignis. Eine scharfkantige, in ihrer Heftigkeit der Musik Schostakowitschs minutiös entsprechende Wiedergabe, die in keinem Moment dieser brutalen Mördergeschichte durchhängt; Musik, die poltert und gefährlich rumort, die atemberaubende Höhepunkte in Klangexplosionen hat, die er aber auch unendlich zart schweben und in humoristischer Grelle dahinjagen lässt.
Harald B. Thor entwarf dafür ein Bühnenbild, das in seiner bedrohlichen Monumentalität an Stalins Betonmassenquartiere erinnert: Eine Fabrik auf vier Etagen – mit Lagerhallen und den Büro- und Wohnräumen der Familie Ismailow. Ein beklemmender Rahmen, in dem die brutalen, despotischen Männer das Sagen haben. Thor nützt die volle Breite der Bühne des Großen Festspielhauses perfekt.
Kriegenburg leistete auch Feinarbeit. Er motiviert die Sänger beeindruckend, diese gewalttätige Männerwelt des Schwiegervaters Boris, seines Sohnes Sinowi und der unterdrückten Arbeiter zu zeichnen: Die Frau – hier Katerina Ismailowa, deren „ Leib nach Leben schreit“– flüchtet sich zuletzt in Betrug und Morde, um Freiheit zu erlangen und ihr Leben leben zu können. Auch wenn sie mit ihrem gewissenlosen Liebhaber ins Straflager kommt . . .
Im Mittelpunkt steht die große Nina Stemme: eine faszinierende Lady Macbeth. Und nicht nur stimmlich, wenn sie die wunderbare Leuchtkraft und all ihre subtilen Ausdrucksmöglichkeiten souverän einsetzt, um Katerina in ihrem seelischen Elend, ihrem aufgestauten Hass, ihrer fast beklemmenden Gier nach Leben und Lust zu charakterisieren.
Die Männer spielen ihre Rollen als gemeine, bald brutale, bald dämonische Schwächlinge: grandios und mit Sonderjubel bedacht Dmitry Ulyanov als Boris Ismailow, herrisch und böse polternd. Brandon Jovanovic ist ein smart schmieriger Liebhaber Sergej mit prächtigem Bariton. Maxim Paster bleibt als Sinowi etwas blass. Hinreißend die Charakterisierungen der kleinen 14 Partien, etwa des Popen von Stanislav Trofimov oder Ksenia Dudnikovas Zwangsarbeiterin Sonjetka.