Kronen Zeitung

Wie versproche­n, so gebrochen

Wenig Steuern, nie wieder volle Ambulanzen, hohe Pensionen, eine Menge Pflegegeld – müssten Politiker nach der Wahl alle Verspreche­n umsetzen, wäre es eine wunderbare Welt. Das tun sie aber nicht.

- Michael Pommer

WIEN. Weniger Steuern, mehr Jobs, hohe Pensionen, nie wieder volle Ambulanzen und jede Menge Pflegegeld: Müssten Politiker nach der Wahl alle Verspreche­n umsetzen, wäre es eine wunderbare Welt. Das tun sie allerdings nicht.

Vor Wahlen sind Politiker wie Angler. Sie werfen den Köder aus, frisch und saftig glänzt er in Griffweite – wer der Versuchung unterliegt, der hängt am Haken. Was für eine wunderbare Welt wäre das, wenn alle Wahlverspr­echen von Gesetz her realisiert werden müssten: Wir würden weniger Steuern zahlen, die Ambulanzen wären nicht mehr voll, es gäbe soziale Gerechtigk­eit und Fairness, hohe Pensionen und viel Pflegegeld.

Aber weil Koalitione­n von Kompromiss­en leben ( und ein paar Politiker an schwerer Amnesie leiden), stirbt bei Politehen vor allem eines: das Ehrenwort. Beziehungs­weise 50 Prozent da- von. Politologi­n Dr. Katrin Praprotnik, heute an der Universitä­t Hamburg tätig, analysiert­e für ihre Dissertati­on sämtliche Wahlverspr­echen der Jahre 1990 bis 2013 – und verglich sie mit Gesetzeste­xten, Medienberi­chten und Statistike­n. Ihr Fazit: Die erste SPÖ-ÖVPKoaliti­on mit Werner Faymann als Bundeskanz­ler hielt immerhin 57 Prozent der Verspreche­n. Eingebrach­t wurden vor der Wahl 149 Ankündigun­gen der SPÖ und 70 von ÖVP- Seite.

„ Wenn alle Parteien bei den Wahlverspr­echen auf 100 Prozent Umsetzung bestünden, dann würde es in Koalitions­verhandlun­gen nie eine Einigung geben“, so Politologe Peter Filzmaier. „ Das weiß der Wähler aber auch. Die Frage ist eher: Wo werden Wahlverspr­echen zu plump und zu unrealisti­sch oder Kompromiss­e bei den Verhandlun­gen zu groß.“

Eines ist klar: Viele Verspreche­n wurden zu Koalitions­opfern, viele waren auch nur Lügen. Hier ein paar der größten Umfaller:

„ Sechs Monate sind ge-

nug“, erklärte schon Bruno Kreisky von der SPÖ im Jahr 1970 und meinte damit den Grundwehrd­ienst. Sechs Monate waren dann auch genug – allerdings erst 36 Jahre später.

Pensionist­en sind ein beliebtes Thema. Bei den Nationalra­tswahlen 1995 versprach Franz Vranitzky ( SPÖ) in dem so genannten Pensionist­enbrief die Kürzungs- Pläne der ÖVP zu verhindern. Nach dem Wahlsieg wurde gekürzt.

„ Bei Platz drei sind wir in Opposition“– ein Satz von Wolfgang Schüssel ( ÖVP) vor der Wahl 1999, der heute noch für Gelächter sorgt. Die ÖVP landete mit 26,9 Prozent der gültigen Stimmen auf dem dritten Platz hinter SPÖ und FPÖ. Schüssel wurde Kanzler.

„ Die ÖVP ist die Partei der Eurofighte­r – die SPÖ ist die Partei der Sozialfigh­ter“, schimpfte Alfred Gusenbauer noch 2006. Neben „ Ja, wir schaffen die Studiengeb­ühren ab“, versprach er auch das Abbestelle­n der Eurofighte­r. Sie fliegen heute noch.

Dr. Katrin Praprotnik fand für ihre Dissertati­on zudem heraus: Am häufigsten eingehalte­n werden Ankündigun­gen, die eine Beibehaltu­ng des Status quo verspreche­n. Aber „ Mit mir bleibt alles beim Alten“, liest sich auf Plakaten eben nicht besonders gut.

 ??  ?? Bruno Kreisky versprach 1970: „ Sechs Monate Grundwehrd­ienst sind genug.“Umgesetzt wurde dasVerspre­chen 2006. Freilich nicht von ihm.
Bruno Kreisky versprach 1970: „ Sechs Monate Grundwehrd­ienst sind genug.“Umgesetzt wurde dasVerspre­chen 2006. Freilich nicht von ihm.
 ??  ?? Gerade in Steuersach­en war auch Jörg Haider ein großer Ankündiger. Fast alle Parteien wollen weniger Steuern – jedenfalls bis zur Wahl.
Gerade in Steuersach­en war auch Jörg Haider ein großer Ankündiger. Fast alle Parteien wollen weniger Steuern – jedenfalls bis zur Wahl.
 ??  ?? Er lockte die Pensionist­en und sprach sich vehement gegen Kürzungen aus: Franz Vranitzky. Nach dem Wahlsieg: plötzliche Amnesie!
Er lockte die Pensionist­en und sprach sich vehement gegen Kürzungen aus: Franz Vranitzky. Nach dem Wahlsieg: plötzliche Amnesie!
 ??  ?? Die Wahl 1999: Die SPÖ mit Viktor Klima ( re.) wurde Erster, Wolfgang Schüssel wollte eigentlich in Opposition gehen. Dann wurde er dank der FPÖ doch Kanzler.
Die Wahl 1999: Die SPÖ mit Viktor Klima ( re.) wurde Erster, Wolfgang Schüssel wollte eigentlich in Opposition gehen. Dann wurde er dank der FPÖ doch Kanzler.
 ??  ?? Kurzzeit- Kanzler Alfred Gusenbauer und der Eurofighte­r – eine Geschichte, die uns bis heute beschäftig­t. 2006 versprach Gusenbauer noch das Ende der Abfangjäge­r. Übrig blieb davon allerdings nichts. Fotos: Hronek, Martin A. Jöchl, Markus Zinner, EPA,...
Kurzzeit- Kanzler Alfred Gusenbauer und der Eurofighte­r – eine Geschichte, die uns bis heute beschäftig­t. 2006 versprach Gusenbauer noch das Ende der Abfangjäge­r. Übrig blieb davon allerdings nichts. Fotos: Hronek, Martin A. Jöchl, Markus Zinner, EPA,...
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