Von armen Menschen & armer Maus
Volkstheater: „ Iphigenie in Aulis/ Occident Express“von Euripides/ Stefan Massini
Wasserbäder, hohle Phrasen, eine opferbereite Iphigenie ( die einen kalt lässt), Menschen auf der Flucht, ein blonder Knabe als Minentester und ein armes weißes Mäuschen im kleinen Plexiglasgefängnis: Direktorin Anna Badora ließ bei der Eröffnung der Saison nichts aus, nicht einmal Klischees.
„ Wir sind im Krieg“ist das Zentralthema des politisch korrekten und dennoch anstrengenden Abends: Badora schickt Euripides’ Griechen des trojanischen Krieges ( in der Bearbeitung von Soeren Voima), Agamemnon ( Rainer Galke), Menelaos ( Lukas Holzhausen, Klytaimnestra ( Anja Herden), Iphigenie ( Katha- rina Klar) und das Ensemble zum nassen Spielchen ins Bühnenbassin von Damian Hitz. Im lauwarmen Bad sinnt man auf Gewalt wegen des Raubes der Helena, auch wenn das „ liebe Mädchen Iphigenie“den Göttern geopfert werden muss.
Bis zur Pause wird geplantscht und deklamiert, über den Drang nach kriege- rischer Auseinandersetzung geplappert . . . Der Mensch hat halt keine Haltung: Er will Krieg und Gewalt! Besungen vom Chor der „ aulischen Mädchen“, mehr Sirenen als Kommentatorinnen.
Keine Haltung, nur Geldgier, Ausbeutung und Brutalität zeigen auch die Schlepper in Stefan Massinis gut zu lesendem, aber für die Bühne ganz und gar ungeeignetem Text „ Occident Express“. Da muss man sich halt viel einfallen lassen, dachte sich Badora, die während der Premiere emsig ihre Handy- Nachrichten las.
Von Syrien werden Flüchlinge samt Alten und Kin- dern, nackt, bloß und farbverschmiert durch ein Rohr in die Türkei geflutscht, im kenternden Boot nach Griechenland gebracht, über Minenfelder Mazedoniens geschickt, der übrig gebliebe Rest in Polen in einen Container nach Stockholm verfrachtet: Badoras auch im Programmheft vielzitierter Appell an den Humanismus, die Anklagen an Waffenund andere Lobbys glaubt man nicht ganz. Ihre Inszenierung berührt nicht, stumpft ab wie die täglichen, erschütternden Nachrichten aus aller Welt. Mancher leidet da mehr mit der Maus im Kerker!