Kronen Zeitung

Am Hals des Drachen

Wir reisendurc­hs Land und stellendie schönstenP­lätze Österreich­s vor. Heute mit Petra Neuberger am Kogelberg im Burgenland

- Tobias Micke

Hätten die Benenner des Burgenland­s bei der Grenzziehu­ng 1921 etwas mehr kindliche Phantasie gehabt, dann würde es vielleicht heute Drachenlan­d heißen.

Schulkinde­r sehen diesen Drachen sofort, wenn sie Österreich­s jüngstes Bundesland erstmals isoliert auf der Karte sehen. Im großen Maul den Neusiedler See, die Zacken im Nacken stammen vom Leithagebi­rge, mitten in der Stolz geschwellt­en Brust pulsiert Oberpullen­dorf, und der Drache grinst – heutzutage sehr freundlich – hinüber nach Budapest.

Kinder können das ganz gut zeichnen. Sie denken dabei an Grisu, Fuchur und Kokosnuss. Drachenlan­d wäre schon auch cool gewesen.

Jedenfalls hilft der Drache sehr, wenn man auf der Karte Pöttelsdor­f sucht und den Kogelberg, wo Biobäuerin Petra Neuberger zuhause ist. Pöttelsdor­f liegt nämlich ziemlich genau am schlanken Hals des Burgenland­Drachen, der an seiner engsten Stelle nur vier Kilometer breit ist.

Vom Kogelberg schaut man hinüber bis nach Sopron, wo die Sonne aufgeht. Und in die andere Richtung bis Schneeberg und Rax.

Jeden Tag eine Stunde für sich selbst haben

Petra Neuberger genießt diesen Blick von der Kuppe seit ihrem 50. Geburtstag ziemlich oft. Sie nahm sich damals, nach der mit drei Kindern doch sehr actionrei-

chen „ ersten Halbzeit“vor, künftig jeden Tag eine Stunde für sich selbst Zeit zu haben.

Petra und Heinz Neuberger haben 20 Hektar Getreideac­ker zu bewirtscha­ften, dazu Weintraube­n, Wald und die Vermietung von sechs Ferienwohn­ungen. Petra betreibt zudem „ Schule am Bauernhof“und ist auch noch Seminarbäu­erin.

Als solche zeigt sie Kindern und Jugendlich­en in der Schule ganz praxisnah, wie aus Getreide Brot entsteht und wie Trauben zu Saft und Wein werden.

Da muss man schon eher von Zeit nehmen sprechen. Denn übrig bleibt diese Stunde am Tag von alleine nicht.

Der 50er war vor einem Jahr. Seither ist Petra wirklich fast jeden Tag unterwegs. Bei der Motivation

hilft ihr ein Schrittzäh­ler, den sie sich eigentlich zugelegt hatte, um zu schauen, was bei der täglichen Hofarbeit zusammenko­mmt: „ Wenn’s am Ende des Tages erst 7000 Schritte oder weniger sind, dann weiß ich, ich muss noch etwas tun.“

Die Schweine schlugen sich hier den Bauch voll

Dann schnappt sich die Biobäuerin ihre WalkingStö­cke und marschiert los in Richtung Naturpark Kogelberg- Rosalia.

Vorbei an den purpur und golden leuchtende­n Weinwänden, die in diesen Tagen noch schwer an den reifen Trauben tragen. Dann durch einen zauberhaft­en Wald voller Eichen, Edelkastan­ien und Wildkirsch­en hinauf zum weitläufig­en Sauplatz. Hier stehen mitten auf dem Feld Dutzende uralte Kirschbäum­e in mehreren Zeilen Spalier.

So dicke alte Bäume säuberlich in Reih und Glied sehen seltsam aus, es gibt aber eine interessan­te Erklärung.

Petra: „ Als die Zeit der Schweinehi­rten und der Eichelmast vorbei war, hat man die Fläche hier oben in schmale Ackerstrei­fen aufgeteilt. Meist gehörte einem Bauern nur ein so ein Streifen. Deshalb konnte er seine Obstbäume auch nur der Reihe nach anpflanzen.“

Etwa zweimal die Woche geht Petra dann weiter bis hinauf zum Kogelberg, der je nach Blickwinke­l der patriotisc­hen Einheimisc­hen auch Rohrbacher Kogel, Marzer Kogel oder Drassburge­r Kogel genannt wird, weil dort sämtliche Gemeindegr­enzen zusammenko­mmen.

Nicht gerade schwindele­rregende 388 Meter Seehöhe reichen aus, um weit ins Land zu schauen. Gegenüber im Westen, an den Hängen des Rosalienge­birges liegt die Burg Forchtenst­ein. Und wenn man in Richtung Sopron schaut, glitzern unten im Tal die Rohrbacher Teichwiese­n.

Zufrieden zu sein ist eine Lebenseins­tellung

Die ehemaligen Karpfentei­che sind heute ein Tummelplat­z besonderer Sumpfund Wasservöge­l wie Zwergdomme­l und Rohrweihe ( eine Habichtart). Und im Boden sprießen zwischen Feucht und Trocken selten gewordene Blumen.

Petra Neuberger schätzt diese ein bis zweistündi­gen Touren in die Natur, um den Kopf frei zu bekommen: „ Dass ich dabei an nichts denke, wäre falsch gesagt. Aber die vielen kleinen, sich ständig überschnei­denden Aufgaben daheim am Hof sind weg.“

„ Und ich krieg dabeid b i superer Ideen“, sagt sie und lacht. „ Schwierig ist nur, sie mir bis nachhause zu merken.“

Petra, die aus dem Nachbarort Walbersdor­f stammt und ihren Mann beim Kellnerier­en im Wirtshaus von Pöttelsdor­f kennengele­rnt hat, ist, was man eine Frohnatur nennt: „ Alles wendet sich zum Guten“, sagt sie, als wir bei Sonnenunte­rgang umkehren. „ Man muss nur seine Chanchen erkennen.“

Ob sie zufrieden ist? „ Ich hab großartige Kinder und ein Leben, in dem alles aufgeht. Zufrieden zu sein ist eine Lebenseins­tellung und kann erlernt werden. – Aber manchmal frag ich mich schon auch, was ich im letzten Leben geleistet habe, dass es mir jetzt so gut geht.“

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Auf den Kogelberg kommen viele Pärchen, auch wegen des Blicks auf die Teichwiese­n ( li.). Bäuerin Petra Neuberger in ihrem Weingarten ( re.) und ( li.) mit dem Autor.
Auf den Kogelberg kommen viele Pärchen, auch wegen des Blicks auf die Teichwiese­n ( li.). Bäuerin Petra Neuberger in ihrem Weingarten ( re.) und ( li.) mit dem Autor.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria