Kronen Zeitung

Haben Sie jetzt mehr zu tun als früher, Herr Fischer?

Er organisier­8 das Gedenkjahr 2018, beglei8e8 Wir8schaf8­sdelega8io­nen nach China und schreib8 ein Buch nach dem anderen: Mi8 der „ Krone“sprich8 Al8bundesp­räsiden8 Heinz Fischer ( 78) über sein neues Leben, Zei8 für Enkel und Ameisen und den Wahlkampf.

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Auf dem Wiener Ballhauspl­atz wird noch geschaufel­t und gehämmert, als Altbundesp­räsident Heinz Fischer mit seiner ehemaligen Sprecherin Astrid Salmhofer ( auf dem Foto rechts neben ihm) schon von Weitem winkt. Wir gehen durch die Hofburg Richtung Palmenhaus, und die paar Minuten muten an wie ein Sketch bei „ Stermann und Grissemann“. „ Begrüße Sie!“, ruft Fischer Leuten zu, „ Guten Tag, wie geht’s Ihnen?“Seiner Vergnügthe­it entkommt keiner. Im Pal- menhaus plaudert er mit Koch und Kellner, kommt „ sehr gerne“dem Wunsch nach Selfies nach und bestellt dann Marillenfl­eck. Im Hintergrun­d läuft Jazzmusik, und manchmal wiegt sich Heinz Fischer zur Musik.

Mögen Sie die Anrede „ Herr Altbundesp­räsident“?

Ja, die ist tadellos. „ Herr Altbundesp­räsident“sagen diejenigen, die besonders korrekt sein wollen. Meine Freunde sagen Heinz, die meisten Leute Dr. Heinz Fischer.

Stört Sie das „ alt“nicht?

Überhaupt nicht. Ich bin ja mit fast 79 nicht mehr ganz jung, aber ich fühle mich angemessen gut.

Diesen Sonntag ist es 429 Tage her, dass Ihre Amtszeit als Bundespräs­ident geendet hat. Was geht Ihnen am meisten ab?

Wenn mir etwas abgehen würde, dann wäre das ein Zeichen von Entzugsers­cheinungen. Aber ich habe wirklich keine Entzugsers­cheinungen, ich bin im höchsten Maße dankbar, 12 Jahre Klubobmann im Parlament, 12 Jahre Nationalra­tspräsiden­t, 33 Jahre lang Parlamenta­rier und zwei Amtsperiod­en lang Bundespräs­ident gewesen zu sein. Mit 78 Jahren ohne gröbere Schrammen aus all diesen Funktionen auszusteig­en, das ist keine Selbstvers­tändlichke­it.

Also hat’s nur kleinere Schrammen gegeben?

Ja, beim Fußballspi­elen einmal. Und beim Rasieren. – Lacht.

Ihr Büro befindet sich jetzt vis- à- vis der Hofburg auf dem Ballhauspl­atz 1, wo gerade der Bau der „ Wiener Mauer“gestoppt wurde. Warum braucht der Altbundesp­räsident dort ein Büro?

Der Grund ist das Gedenkund Erinnerung­sjahr 2018, das ich als Vorsitzend­er des Beirates zur inhaltlich­en Be- ratung und Koordinati­on organisier­e. Wir erinnern uns 2018 an den Prager Frühling, weil das ein Beispiel dafür ist, dass totalitäre Systeme sich zwar eine Zeit lang mit Gewalt durchsetze­n können, dass aber die Demokratie auf Dauer stärker ist. Wir feiern 100 Jahre Republik, weil es ganz wichtig ist, aus der Geschichte dieses Jahrhunder­ts zu lernen. Wir feiern das Frauenwahl­recht und die allgemeine Erklärung der Menschenre­chte. Und ganz wichtig: Es jährt sich der soge-

Ich bin im höchs8en Maße dankbar. Mi8 78 Jahren aus allen Funk8ionen ohne größere Schrammen auszus8eig­en, das is8 keine Selbs8vers­8ändlichke­i8.

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nannte Anschluss an Hitlerdeut­schland 1938 das 80. Mal.

Was ist die richtige Lehre aus all diesen Ereignisse­n?

Erstens: Dass die Menschenwü­rde unteilbar ist. Zweitens: Dass die Demokratie die humanste Regierungs­form ist, dass man aber verantwort­ungsvoll mit ihr umgehen muss, weil sie nicht unzerstörb­ar ist. Und drittens: Jene Ideologie, die Menschen gegeneinan­der aufhetzt, führt in schrecklic­he Verirrunge­n.

Ist die Demokratie momentan in Gefahr?

Nein, ich glaube, Österreich steht nach wie vor da als demokratis­che, pluralisti­sche und lebenswert­e Republik. Daran ändern auch hitzige politische Auseinande­rsetzungen nichts. In Wahlkampfz­eiten geht die Fieberkurv­e immer ein bisserl nach oben, aber Österreich ist nicht gespalten.

Tut es Ihnen weh, dass die SPÖ in diesem Wahlkampf nicht mehr vorne liegt?

Wehtun ist nicht das richtige Wort. Als Sozialdemo­krat glaube ich, dass Christian Kern ein dynamische­r sach- kundiger Kanzler mit viel Erfahrung ist. Aber als Demokrat muss man eine Wählerents­cheidung immer zur Kenntnis nehmen, das ist mir in Fleisch und Blut übergegang­en.

Fischer zählt alle Wahlkämpfe seit 1949 mit den dazugehöri­gen Ergebnisse­n auf und seufzt dann:

Mich kann eigentlich nichts mehr erschütter­n. Oder sagen wir: Ich werde auch mit Erschütter­ungen fertig.

Im Gedenkjahr 2018 feiern Sie auch Ihren 80. Geburtstag…

Ja, aber das ist Privatsach­e und hat mit den Feierlichk­eiten der Republik nichts zu tun.

Stimmt der Eindruck, dass Sie gar nicht leisetrete­n?

Rechtlich bin ich in Pension, aber faktisch bin ich nicht im Ruhestand. Da haben Sie schon Recht. Ich gehe nicht mehr so oft in die Berge, das liegt in der Natur der Sache. Dafür verbringe ich mehr Zeit in unserem Haus auf der Hohen Wand, ich gehe auch öfters in Konzerte und nehme mir mehr Zeit für meine Enkelkinde­r.

Könnte es sein, dass Sie jetzt mehr zu tun haben als früher?

Nein, das kann nicht sein. Allein schon deshalb, weil ich nicht mehr das Personal und die Mitarbeite­r habe. Als Minister, Klubobmann oder Nationalra­tspräsiden­t kann man vieles delegieren, und das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Gibt es eigentlich noch Ihre Haustiere, die Ameisen, auf der Hohen Wand?

Natürlich! Wissen Sie, was ich gelernt habe? Dass die Ameisenkol­onien, wenn die Bäume, unter denen sie sich einmal angesiedel­t haben, wachsen und viel Schatten werfen, nach zehn Jahren auch an einen ganz anderen Platz übersiedel­n können. Wir haben drei Kolonien, und zwei davon leben jetzt Hunderte Meter weiter weg, wo sie wieder genug Sonne haben.

Haben Sie eine Lieblingsk­olonie?

Nein, Sie wissen ja, dass ich sehr objektiv bin. – Lacht. – Ich mag alle gleich gern. Ich habe keine Stiefkinde­r unter den Ameisen.

100 Jahre Republik, das Jahr 1938, der Prager Frühling. Es is8 wich8ig, aus der Geschich8e dieses Jahrhunder­8s zu lernen.

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 ??  ?? Ein vergnügter Altbundesp­räsident auf dem Weg vom Ballhauspl­atz ins Palmenhaus ( li.): Dort bestellt er Marillenfl­eck und kommt „ sehr gern“dem Wunsch nach Selfies nach ( o.).
Ein vergnügter Altbundesp­räsident auf dem Weg vom Ballhauspl­atz ins Palmenhaus ( li.): Dort bestellt er Marillenfl­eck und kommt „ sehr gern“dem Wunsch nach Selfies nach ( o.).
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Heinz Fischer beim „ Krone“Interview: „ Die Demokratie ist nicht unzerstörb­ar.“

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