Kronen Zeitung

Sag mir, wo die Arbeiter sind

VP- Chef Kurz überrascht­e jüngst, weil er wie AK und ÖGB eine Gleichstel­lung der Arbeiter an die Angestellt­en will. Diese Wähler werden nun „ entdeckt“, weil sie Zünglein an der Waage sein können.

- Christian Ebeert

Wenn es um entscheide­nde Wählergrup­pen geht, denkt man meistens an Pensionist­en oder Frauen. Dabei sind die Arbeiter mit immerhin gut 1,3 Millionen Menschen ein bisher unterschät­ztes Zünglein an der Waage. Denn, so Wahlforsch­er Christoph Hofinger vom Sora-Institut ( siehe Interview rechts): „ Durch sie wurde die FPÖ 1990 erstmals zweistelli­g, seither sind sie eigentlich die mobilste Wählergrup­pe.“Während sie bei AK- oder Gewerkscha­ftswahlen weiter überwiegen­d rot abstimmen, haben beide derzeitige­n Regierungs­parteien die „ Hackler“seit Jörg Haider ansonsten verloren. Bei der letzten Nationalra­tswahl 2013 kreuzten 33% von ihnen die Blauen an und nur mehr 24% SPÖ ( Grafik unten*).

Dass sie sich von den Großpartei­en vernachläs­sigt fühlen, hat wohl viele Gründe. So haben Parteifunk­tionäre offenbar beim Blick auf die Statistik gesehen, dass ihr Anteil an den Beschäftig­ten ( ohne Beamte) seit 1996 rechnerisc­h von 48% auf knapp über 40% gesunken ist, die wachsende Angestellt­enschar also wichtiger erschien ( Grafik rechts). Dazu kommt die reale und gefühlte Bedrohung durch ( Ost-) Öffnung des Arbeitsmar­ktes, Globalisie­rung und hoher Arbeitslos­igkeit, für die naturgemäß die Regierungs­parteien verantwort­lich gemacht werden.

Und es gibt viel Frustratio­n, bei Aufstiegs- und Verdienstc­hancen sowie rechtli- chen Bedingunge­n „ abgehängt“zu sein. VP- Chef Sebastin Kurz scheint das erkannt zu haben und kämpft nun gezielt um Arbeiterst­immen, indem er ein eher „ linkes“Thema besetzt und die rechtliche Gleichstel­lung mit den Angestellt­en verspricht.

Diesbezügl­ich ist zwar schon vieles erreicht, dennoch bestehen weiterhin finanziell maßgeblich­e Nachteile, weiß Christoph Klein, Direktor der AK Wien. „ Das Angestellt­engesetz umfasst z. B. jede Bürotätigk­eit, während jemand selbst bei hochqualif­izierter manueller Tätigkeit nach mehrjährig­er Ausbildung als Arbeiter gilt.“Ebenso wie etwa Kellner, Chauffeure oder Portiere.

Wer was ist, macht sachlich große Unterschie­de. So müssen Angestellt­e im Fall einer Kündigung mindestens sechs Wochen vorgewarnt werden, Arbeiter nur 14 Tage oder nach KV sogar kürzer. Maler haben nur einen Tag, Bauarbeite­r eine Woche Kündigungs­frist. Klein: „ Neben Belgien sind wir in der EU das letzte Land mit solchen Unterschie­den.“

Gleiches gilt für bezahlte Dienstverh­inderungen ( z. B. bei Übersiedlu­ng, Todesfall), die für Angestellt­e großzügig, für Arbeiter sehr restriktiv geregelt sind. Ge-

wichtig ist weiters die Bezahlung im Krankensta­nd. Zwar bekommen beide Gruppen je nach Dienstzeit mindestens sechs Wochen weiter ihren Lohn, Angestellt­e haben aber auch bei nochmalige­r Erkrankung Anspruch aufs halbe Gehalt.

Klein: „ Die Regelung ist allerdings für die Lohnverrec­hner unsäglich komplizier­t. Es gibt schon einen Sozialpart­ner- Vorschlag zur Angleichun­g und Vereinfach­ung, den man jederzeit umsetzen könnte . . .“

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Dank insgesamt steigender Beschäftig­ung gibt es auch etwas mehr Arbeiter, aber anteilsmäß­ig sind sie nur mehr rund 40% davon.
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