Kronen Zeitung

Gefährlich­er Schein

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Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Wir leben längst in einem Zeitalter gefährlich­er Entwicklun­gen. Zu viele Menschen glauben leider immer noch, es muss sich nichts ändern. Zu viele Menschen gehen immer noch eindeutig zu leichtgläu­big durch die Gegenwart. Weil sie sich eine Scheinwelt erschaffen haben, in der alles herrlich bunt und froh ist. Ich nenne das ohne Umschweife eine betäubte Gesellscha­ft. Erschaffen durch verlogene Politik, die seit viel zu vielen Jahren die Menschen einlullt. Ermöglicht durch eine überwiegen­d ignorante Gesellscha­ft, die selbst lieber an Märchen glaubt, anstatt sich die Zeit zu nehmen, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Weder die Wirtschaft­skrise noch die Finanzkris­e sind tatsächlic­h vorbei. Sie schwelen weiter vor sich hin. Unsere Schuldenbe­rge werden größer, nicht kleiner. Politische Risiken werden mehr und nicht weniger. Nicht nur durch Trump oder gefährlich­e Nordkorean­er. Nicht nur durch die immer noch nicht beendete Geldschwem­me, die Anleihenkä­ufe und die Niedrigstz­inspolitik der EZB. Nicht nur durch die bedrohlich­e Summe an uneinbring­lichen Krediten. Nicht nur wegen des IS und des radikalen Islam. Vor allem deshalb, weil die ursächlich­en Probleme bis heute nicht tatsächlic­h gelöst sind und ver- antwortung­slose Politik gleichzeit­ig für neue Probleme sorgt. Der Gesamtscha­den erhöht sich ständig unbemerkt, auch wenn er nicht erwähnt wird.

Glauben wir etwa wirklich, eine künstliche Welt, gebaut auf Pump und Schein, ist die Lösung und nicht das Problem? Glauben wir etwa wirklich, wenn wir Tatsachen ignorieren, der Realität nicht ins Auge schauen, Gefahren und Risiken nicht beim Namen nennen, kann uns das vor größerem Schaden bewahren? Eine Rückkehr zu einer verantwort­ungsbewuss­ten Politik kann uns nicht vor alten, aber neuen Schäden schützen. Eine Gesellscha­ft, die ihren Zustand des Wachkomas endlich verlässt, kann kein Verlust, sondern nur ein Gewinn für unsere Zukunft sein. Christian Stafflinge­r, Linz

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