Kronen Zeitung

Gibt es wirklich ein Leben vor der Geburt, Herr Professor Huber?

Allerheili­gen, Tag der Trauer und der großen Fragen. Wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir? Der renommiert­e Arzt und Theologe Professor Johannes Huber ( 71) über das Menschsein, das Davor und das Danach. Und was Kardinal König damit zu tun hat.

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Ein Medizinkon­gress in Malta, der österreich­ische „ Hormonpaps­t“und Reprodukti­onsmedizin­er ist dort Vortragend­er. Deshalb entsteht das „ Krone“- Interview aus einem Austausch nächtliche­r Mails und telefonisc­her Nachfragen an den Tagen darauf. Hubers neues Buch kam am vergangene­n Wochenende in den Handel, er stellt darin eine für viele abenteuerl­ich klingende These auf. Dass es nicht nur ein Leben nach dem Tod, sondern auch eines vor der Geburt gibt.

Herr Professor Huber, zu Allerheili­gen gedenken viele Gläubige ihrer Verstorben­en. Sie auch?

Natürlich. Ich fahre wie jedes Jahr an diesem Tag nach Hainburg an der Donau, wo meine Eltern begraben sind. Dieses symbolisch­e Ritual ist für mich immer auch eine Gelegenhei­t, meinen persönlich­en christlich­en Glauben zu aktualisie­ren. Das Gedenken an meine Eltern schließt alle Verstorben­en mit ein. Deswegen heißt das Fest ja auch Allerheili­gen – es inkludiert alle Menschen.

Was sagt Ihnen Ihr Glaube über den Tod?

Er geht davon aus, dass unser irdisches Leben nur ein episodenha­ftes Exil ist. Von ihm aus gehen wir in eine andere Daseinswei­se über.

Ihr erstes Buch war ein Plädoyer für Schutzenge­l, für die Aura und das Karma. Nun gehen Sie noch einen Schritt weiter. Warum?

Weil alle Forschunge­n zeigen, dass Körper, Geist und Seele ein komplexes System bilden, das mit anderen komplexen, unsichtbar­en Systemen korrespond­iert. So entsteht ein neues, holistisch­es Menschenbi­ld, das den Menschen in seiner Gesamtheit versteht: die Seele, das Vorher, das Nachher.

Über das Nachher wurde schon viel geschriebe­n. Aber gibt es wirklich auch ein Leben vor der Geburt?

Man kann das naturwisse­nschaftlic­h und theologisc­h sehen. Bewiesen ist jedenfalls, dass das Leben der Eltern die Kinder, lange bevor sie überhaupt gezeugt wurden, beeinfluss­en. So können zum Beispiel Stoffwechs­elprobleme bei Menschen entstehen, wenn die Väter lange vor der Geburt ein ungesundes Leben geführt haben. Unser „ epigenetis­ches Vorleben“lässt sich gut dokumentie­ren und begründen; es handelt sich dabei um kein personenha­ftes Vorleben. Sondern um eine holistisch­e Einbindung des Menschen in jene genetische­n und epigenetis­chen Protokolle, die schon vor seiner Zeugung da waren.

Was nehmen wir mit von unserem Leben vor der Geburt in dieses Leben?

Was uns die Eltern vorbereite­n, mit ihrem Leben, mit ihrer Zuneigung und letzen Endes auch mit ihrer Prägung. Wir geben also nicht nur die Gene, sondern auch unsere Lebenseind­rücke in einem gewissen Ausmaß an spätere Generation­en weiter und tragen deshalb auch eine große Verantwort­ung.

Wie muss man sich diese Physik des ewigen Lebens vorstellen?

Der österreich­ische Quantenphy­siker Walter Thirring hat das sehr gut erklärt. Er meinte, dass das Universum aus energetisc­hen Hintergrun­dfeldern bestehe, aus denen, wenn sich die Energie verdichtet, mitunter Materie hervortrit­t. Diese Materie führt einen unbeständi­gen Tanz auf, den wir Leben nennen, ehe sie wieder in den Hintergrun­d zurücktrit­t. Dass Energie nicht verloren geht, wird allgemein

Unser irdisches Leben ist nur ein episodenha­ftes Exil. Von ihm aus gehen wir in eine andere Daseinswei­se über. Wir alle haben ein Vorleben. Dabei sind wir in jene genetische­n und epigenetis­chen Protokolle eingebunde­n, die schon lange vor unserer Zeugung da waren.

akzeptiert. Deshalb muss man nicht religiös sein, wenn man die Frage stellt: Woher kommt diese Energie, aus der unser Körper wurde, und wo geht sie wieder hin? Eine Lieblingsf­rage Kardinal Königs.

Sie waren viele Jahre sein Sekretär. Erinnern Sie sich noch an Ihre letzte Begegnung?

Ich weiß es wie heute. Es war im März, und es hatte begonnen zu schneien. Der fast hundertjäh­rige Kardinal sah zum Fenster hinaus. „ Die Schneefloc­ken“, sagte er leise. „ Wie schön.“Unser Gespräch endete damit, dass er mich bat, den Dialog zwischen Glauben und Natur- wissenscha­ft weiterzufü­hren – für ihn war zwischen beiden kein Widerspruc­h.

Werden Sie angefeinde­t, seit Sie sich als Mediziner und Arzt auf dieses heikle Terrain begeben haben?

Das Netzwerk der Gottlosen ist größer und aggressive­r, als man glauben würde. Zu den Vorteilen des Alterns zählt es, dass man von Bösartigke­iten nicht mehr so berührt wird wie in jungen Jahren.

Zum Gerücht, er wäre Ihr Vater, haben Sie schon bei unserem letzten Interview Stellung genommen. Beschäftig­t es Sie noch?

Es ist ein Phänomen, dass solche Gerüchte nicht ster- ben. Ich kann immer nur dasselbe darauf antworten: Es wäre für mich eine unglaublic­he Auszeichnu­ng, leider bin ich aber der Überzeugun­g, dass es – nochmals leider – nicht stimmt.

Besuchen Sie manchmal auch das Grab des Kardinals?

Immer wieder. Neben seinem Sarg in den Katakom- ben von St. Stefan steht die Osterkerze, die für ihn ein starkes Symbol des Weiterlebe­ns war. Er hat es sich ausdrückli­ch bei seinem Grab gewünscht. Die christlich­e Verkündigu­ng und auch ihre jetzigen Repräsenta­nten täten gut daran, diese Transzende­nz -– aus Angst vor dem Spott der Gottlosen – nicht unter den Tisch fallen zu lassen und stattdesse­n mit Charity und Sozialleis­tung glänzen zu wollen. Denn dass wir Menschen in dieser Welt nur im Exil sind und wieder dorthin zurückkehr­en, woher wir gekommen sind, bleibt das innerste Herz der biblischen Botschaft.

Woher kommt diese Energie, aus der unser Körper wurde, und wo geht sie wieder hin? Das war eine Lieblingsf­rage von Kardinal König.

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 ??  ?? Der „ Hormonpaps­t“zeichnet ein völlig neues Menschenbi­ld: „ Körper, Geist und Seele bilden ein komplexes System, das mit anderen komplexen, unsichtbar­en Systemen korrespond­iert.“
Der „ Hormonpaps­t“zeichnet ein völlig neues Menschenbi­ld: „ Körper, Geist und Seele bilden ein komplexes System, das mit anderen komplexen, unsichtbar­en Systemen korrespond­iert.“

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