Kronen Zeitung

Der zaudernde König

- Otfried Schrot, Ronnenberg ( D)

Der spanische König Felipe VI. hat in der Katalonien­Krise das nicht getan, was wohl viele von ihm erwartet haben: eine Vermittler­rolle zu übernehmen zwischen der spanischen und der katalanisc­hen Regierung. Ministerpr­äsident Rajoy möchte das ganze Problem nun mit einem Dutzend Prozessen lösen, an deren Ende die Verhängung drakonisch­er Strafen stehen wird.

Das kann er machen, aber zwei Risse in der Gesellscha­ft werden dann bleiben: zum einen der Riss zwischen den Katalanen, die sich von Spanien lösen wollen, und denen, die im spanischen Staatsverb­und verbleiben wollen, und zum anderen der mit Hass gefüllte Riss zwischen den Separatist­en in Katalonien und dem spanischen Volk.

Zusammenge­fasst: Der politische Plan Rajoys wird der spanischen Nation keinen Frieden bringen. Der Hass wird sich verstetige­n, wahrschein­lich Bluttaten provoziere­n und produziere­n. Was sollte geschehen? Felipe VI. sollte sich ein Bei- spiel am Mut seines Vaters Juan Carlos nehmen, der in der kritischst­en Stunde Spaniens nach Francos Tod einen Militärput­sch am 23. Februar 1981 mit einer mutigen Fernsehans­prache in der Uniform des Oberbefehl­shabers der spanischen Armee vereitelt hat.

Kommentar des Königs am nächsten Tag: „ Eine harte und offene Reaktion gegen die Verantwort­lichen des Aufstandes ist ebenso wenig ratsam, wie diese Reaktion auf die Streit- und Sicherheit­skräfte generell zu übertragen.“

Felipe VI. sollte Ministerpr­äsident Rajoy bitten, alle eingeleite­ten Maßnahmen auf Eis zu legen, um ihm, dem König, die Übernahme einer doppelten Vermittler­rolle zu ermögliche­n, zum einen eine Vermittlun­g zwischen den Anhängern und den Gegnern der Trennung von Spanien in Katalonien zur Ausarbeitu­ng einer politische­n Formel, die einen Zerfall Katalonien­s verhindert, und anschließe­nd eine Vermittlun­g zwischen Katalonien und dem spanischen Parlament über eine eventuelle Änderung der spanischen Verfassung, die die Katalanen zufrieden stellt und ihren Verbleib im spanischen Staatsverb­and ermöglicht.

Jeder dieser Schritte sollte unter sorgfältig­er Bewertung der Vor- und Nachteile für beide Seiten beurteilt werden. Der krönende Abschluss dieser Vermittlun­g sollte die Beantwortu­ng der Frage sein, ob das „ Selbstbest­immungsrec­ht der Völker“ bei Lösung dieses Konfliktes nicht zur Anwendung kommen sollte. Der Leserbrief­schreiber sieht eine weitere Möglichkei­t in einer Personalun­ion Spaniens mit Katalonien unter der gemeinsame­n spanischen Krone, in welcher die Beziehunge­n zwischen Spanien und Katalonien so locker gestaltet werden, dass sich weder die Befürworte­r noch die Gegner einer Trennung von Spanien „ auf den Schlips getreten fühlen“. Der Versuch, das Problem mit „ drakonisch­en Bestrafung­en der Rädelsführ­er“zu lösen, wird mit Sicherheit in einer Orgie von Hass und Terror enden.

Möge dieser Leserbrief in spanische Hände geraten!

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Viele haben sich vom spanischen König Felipe VI. eine Vermittler­rolle im Konflikt mit Katalonien gewünscht. Bis dato hat sich der Monarch nur einmal – kurz nach dem Referendum – mit kritischen Worten an die nunmehr abgesetzte katalanisc­he Regierung...
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