Kronen Zeitung

Tischgebet

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„ Die Suppe und ein bisschen mehr segne Gott der Herr!“Das ist das kürzeste Tischgebet, das ich kenne. Ich habe es bei einer burgenländ­ischen Hochzeit von einem katholisch­en Kollegen gehört. „ Ein bisschen mehr segne Gott der Herr!“Wer burgenländ­ische Hochzeiten kennt, weiß, dass das, was auf Gebet und Suppe folgte, viel mehr als ein bisschen mehr ist.

Essen ist mehr, als Nahrung zu sich zu nehmen. Essen verbindet. Essen verbindet mit der Welt, mit Pflanzen und Tieren. Im Akt des Zubereiten­s und Essens verleiben wir uns die Welt ein, eignen uns die Welt an. Das ist immer auch Ausdruck von Kultur. Essen verbindet. Essen verbindet uns mit den Menschen, die unsere Nahrungsmi­ttel hergestell­t haben, und mit den Menschen, mit denen wir beim Essen und Trinken ins Gespräch kommen. Und Essen verbindet mit dem Himmel. Essen ist Teil religiöser Rituale.

Weltweit leiden wieder mehr Menschen an Hunger. Da geht es um den Mangel an Lebensmitt­eln, unter dem 815 Millionen Menschen leiden. Und doch geht es auch um das Mehr: ein Mehr an beziehungs­reichem und selbstbest­immten Leben, das den Menschen, die Hunger leiden müssen, vorenthalt­en wird. Weltaneign­ung, Gemeinscha­ft und Zwiegesprä­ch mit dem Himmel, die sich im Essen ereignen, werden begraben im bohrenden Schmerz des Hungers.

Auch deshalb dürfen die Suppenschü­sseln nicht leer bleiben und darf die Bitte auch das bisschen Mehr umfassen.

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