Kronen Zeitung

Ohne Gefühl und Wärme

- Mus-

Der norwegisch­e Pianist Leif Ove Andsnes versammelt­e für seinen Klavierabe­nd eine Kollektion an kürzeren Stücken rund um Beethovens „ Sturm“- Sonate. Das ergab eine subtile, mitunter kühle Reise auf romantisch­en Spuren von Sibelius, Schubert, Chopin und Jörg Widmann.

Sturm und Drang erlebt man bei den BeethovenI­nterpretat­ionen von Leif Ove Andsnes selten. Das zeigte sich erneut beim Zwischenst­op des Norwegers auf seiner Europa- Tournee in Wien. Ihn interessie­rt mehr die Form, die Struktur, die Architektu­r von Beethovens „ Sturm“- Sonate. Das mag ein Ansatz sein, der bei Beethoven spannende Früchte trägt. Für Schubert, der davor erklang, ist es ein unpassende­s Rezept.

Seine Drei Klavierstü­cke D 946 benötigen auch ein wenig Wärme, Gefühl, Emotion und Tiefe. Die Absicht, Schuberts Geist aus einer möglichst objektiven Lesart des Notentexte­s gerecht zu werden, kann nicht funktionie­ren. Den Beweis führte Andsnes mit seiner kalt lassenden Lesart. Selbst die Einstimmun­g mit der braven Schubert- Paraphrase „ Idyll und Abgrund“des Zeitgenoss­en Jörg Widmann half nichts.

Deutlich wohler fühlte sich Andsnes bei der Auswahl von kurzen Kompositio­nen von Sibelius am Beginn. Zum Finale zündete er dann mit Chopins Nocturne H- Dur op. 62/ 1 und den Balladen Nr. 1 und 3 sogar ein paar virtuose Leuchtmome­nte. Man kann auch Chopin trumpfende­r, emphatisch­er, emotionale­r verstehen. Aber die parfümfrei­e, unsentimen­tale, dabei technisch exzellente Spielart von Andsnes ist eine angenehme Abwechslun­g.

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