Kronen Zeitung

„ Wir haben Angst, dasser zurückkomm­t . . .“ „ Er ist ein Meister im Tarnen und Täuschen“

Friedrich Felz mann richtetev ordre i Monaten in Stiwoll ein Blutbad an. Seitdem ist der 66- Jährige verschwund­en. Sein Bruder und viele Menschen im Ort glauben, dass er noch lebt–und weitere Morde begehen will.

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Stiwoll, drei Monate danach. Drei Monate, nachdem in diesem sonst so friedliche­n Dorf in der Nähe von Graz eine unfassbare Tragödie geschehen ist.

Damals, am 29. Oktober 2017. Als Friedrich Felzmann auf seinem Grundstück zwei Nachbarn – Adelheid H. ( 55) und Gerhard E. ( 64) – erschoss. Und eine Frau schwer verletzte.

Das Motiv für das Verbrechen: Ein jahrelange­r absurder Streit um das Benutzungs­recht für eine Zufahrtsst­raße. Ein Streit, in dem Felzmann der Aggressor gewesen war.

Wie so oft, in so vielem . . .

„ Seine Todesliste ist sicherlich lang“

Seit seiner Wahnsinnst­at gilt der 66- Jährige als verschwund­en. Er war zunächst mit seinem weißen Kleinbus geflüchtet, das Fahrzeug wurde bald im nahegelege­nen Södingberg sichergest­ellt. Und dann begannen weitläufig­e Suchaktion­en, in Wäldern, in Stollen, in leerstehen­den Hütten.

„ Jeden Winkel der Gegend“, erzählt ein Fahnder, und in seiner Stimme ist Resignatio­n zu hören, „ haben wir durchkämmt, immer wieder“. Aber nirgends eine Spur von dem Amokläufer.

Stiwoll, drei Monate danach. Die Straßen leer, die Gasthöfe kaum besucht.

„ Die Menschen verlassen ihre Häuser nur noch“, sagt eine Wirtin, „ wenn es unbedingt notwendig ist“. Zu groß die Angst, Felzmann könne hierher zurückkehr­en und noch einmal ein Blutbad anrichten: „ Seine Todesliste ist sicherlich lang. Denn er sah sich von Feinden umzingelt, von Jugend an.“

„ Er ging ständig auf mich los, einfach so“

„ Bereits als kleiner Bub“, berichtet sein Bruder Alfred, „ war er gewalttäti­g, sogar gegen unsere Eltern. Er hielt sich an keine Regeln. Er hatte Spaß daran, Böses zu tun.“Und der 78- Jährige erinnert sich an „ schrecklic­he Dinge“, geschehen vor fast 50 Jahren: „ Ich hatte Friedrich damals eine Lehrstelle in einer Schweißere­i verschafft. Dort arbeitete auch ein Taubstumme­r. Mein Bruder hat ihn auf abscheulic­hste Weise gequält, körperlich und psychisch. Wochenlang. Bis der Chef von den Misshandlu­ngen erfuhr und Friedrich rausschmis­s.“

Alfred Felzmanns Haus ist mittlerwei­le gesichert mit teuren Bewegungsm­eldern und Alarmanlag­en: „ Ich spüre es: Mein Bruder lebt noch. Und ich weiß: Er will auch an mir Rache üben.“

Warum? „ Wir wohnten in ständigem Zwist nebeneinan­der.“

Mit Schaufeln und Rechen sei der Jüngere auf ihn losgegange­n, „ mehrfach, einfach so. Er hat mich ununterbro­chen beobachtet und fotografie­rt, und als ich einmal eine neue Stiege errichtete, riss er sie mit einem Bagger nieder.“

Aktionen, denen Anzeigen folgten, nicht nur vom Bruder. „ 14 Gerichtsve­rfahren“, klagt Altbürgerm­eister Josef Brettentha­ler, „ hatte ich mit Friedrich.“Oft wegen gefährlich­er Drohungen: „ Aber nie wurde er für seine Untaten ernsthaft zur Rechenscha­ft gezogen. Weil er auch den Behördenve­rtretern Furcht einflößte – und sie sich deshalb nicht mit ihm anzulegen trauten.“

Zuletzt muss er sich gottgleich gefühlt haben

Also konnte es geschehen, dass Felzmann ungeschore­n blieb, wenn er Flugzettel mit verleumder­ischen Inhalten an alle Haushalte des Dorfs verschickt­e oder eine Internetse­ite einrichtet­e, über die er Justiz, Anwälte und Privatpers­onen diffamiert­e. Oder wenn er mit seinem Kastenwage­n, auf dem „ Heil Hitler“stand, herumfuhr.

Vermutlich fühlte sich der 66- Jährige zuletzt gottgleich. Die drei Töchter, die ihm früher ein Regulativ gewesen waren – längst ausge-

zogen. Und seine Frau? „ Sie unterstütz­te ihn in seinen wirren Ideen“, behaupten die Menschen im Ort.

Das Ehepaar züchtete auf seinem Anwesen Dammwild – und die beiden betrieben eine gut gehende Imkerei. Dass sie ihren Honig mit Billigware aus Ungarn und Polen streckten, wurde erst jetzt bekannt.

Stiwoll, drei Monate danach. Wo und bei wem ist Friedrich Felzmann untergetau­cht? Bei einem Mitglied der Staatsverw­eigerer, zu denen er enge Kontakte pflegte? Im Ausland, bei Arbeitern, die ihm mitunter bei Umbauten auf seinem Hof halfen – oder bei einem seiner Geschäftsp­artner?

Dass er Suizid begangen haben könnte, glaubt niemand im Dorf. Aber jeder hier ist davon überzeugt, dass sein Verbrechen von langer Hand geplant war. „ Möglich, dass er sich irgendwo in der Nähe eingebunke­rt hat, sein Versteck manchmal verlässt und vielleicht in Frauenklei­dern und mit dicker Schminke im Gesicht durch Stiwoll geht“, meint Josef Brettentha­ler: „ Das würde zu ihm passen.“Zu diesem „ Meister im Tarnen und Täuschen“. Der Altbürgerm­eister beginnt eine bezeichnen­de Geschichte aus den 1970erJahr­en zu erzählen: „ Friedrich war damals in einem Metallbetr­ieb tätig und seit einer kleinen Ewigkeit krankgemel­det. Kontrolleu­re sollten daher bei ihm Nachschau halten. Er öffnete, verkleidet als seine Großmutter, die Türe, und erklärte mit hoher, zittriger Stimme: , Mein Enkerl ist leider nicht ansprechba­r.‘ Und die Beamten zogen ab.“

„ Dass mein Bruder zu Schrecklic­hem fähig ist, habe ich immer schon geahnt“, schluchzt Alfred Felzmann.

„ Er war eine tickende Zeitbombe“, sagt Josef Brettentha­ler: „ Als 2013 der Wilderer vom Annaberg drei Polizisten und einen Sanitäter erschoss, warnte ich sogar die Kripo: , Der Friedrich wird einmal etwas Ähnliches machen.‘ Leider habe ich recht behalten.“

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Altbürgerm­eister Josef Brettentha­ler: „ Er war eine tickende Zeitbombe.“
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Nach seiner Gräueltat flüchtete Friedrich Felzmann (...
Beide Opfer wurden nach ihrem Tod verbrannt. Die Urne von Gerhard E. steht in einer Kapelle auf dem Grundstück seines Sohnes. Jene von Adelheid H. befindet sich auf dem kleinen Friedhof von Stiwoll. Nach seiner Gräueltat flüchtete Friedrich Felzmann (...
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 ??  ?? Ein vielsagend­es Bild: Der Täter bei einem seiner Erkundungs­züge – wenn er seinen Bruder und andere Nachbarn ausspionie­rte und bei angebliche­n „ Vergehen“fotografie­rte.
Ein vielsagend­es Bild: Der Täter bei einem seiner Erkundungs­züge – wenn er seinen Bruder und andere Nachbarn ausspionie­rte und bei angebliche­n „ Vergehen“fotografie­rte.
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