Die ungeschminkte Wahrheit
Alsdann
de Gschicht war a so“, berichtete Herr Ü. dem Bezirksrichter. „ I war neilich wieder amal in an Theater, und zwar habns des Stück , Der eingebildete Kranke‘ gspült, auf Französisch , Le Malade imaginaire‘. A bekanntes Werk von Molière, übersetzt von Hans Weigel, a Komödie in drei Akten. I waß des alls, i hab ma a Programm kauft, damit ma kaner was derzähln kann; aber leider hat se doch aner bemüßigt gfühlt, dass er ma Belehrungen gibt, und zwar der, der was nebn mir gsessn is.
I sitz so und schau, sagt mei Nachbar zu mir: , Fürchterlich, wia der Hauptdarsteller ausschaut! Der hat was, der is net gsund! Den gib i kane zwa Jahr mehr, wann der so weidamacht!‘
Sag i: , Se wissn anscheinend net, dass des Stück , Der eingebildete Kranke‘ heißt. Der tuat doch nur so, wia wann er was hätt.‘
, Na‘, sagt drauf mei Nachbar. , Ihna mecht i net als Doktor habn. Se redn wia aner von der Sozialversicherung. Bei denan leidn de Leit aa alle an eingebüldeten Krankheitn. Schaun S Ihna sein Schädl an! Dieses verschrumpelte Haupt! Bei dem Mann kamma überhaupt nimmer von an Hauptdarsteller sprechn, das ist ein Schrumpfkopfdarsteller, und Se manen, der is gsund. Den hat der Totngraber auf der Schaufl, des sag i Ihna, im Vertraun.‘
Sag i: , Im Vertraun brauchn S ma gar nix sagn, weil de Leit schaun so. Des stört nämlich nur, wann Se da laienhafte Diagnosen abgebn. Der Mann is gschminkt, des is alls.‘
Sagt mei Nachbar: , Geschminkt! Mir derzähln Se was über Schminke; i hab a Frau und zwa Töchter, de was se wia de Indianer anmaln, dass i oft glaub, i bin der Winnetou. Der Schauspieler hat an Hals wia a Pogauner, so krankhaft dünn, den kann eahm ka Maskenbildner machn. Ja, vielleicht Se. Vielleicht habn S a Patent mit dem S sogar an Steirer an Kropf wegschminkn. Der Mann is bedient, der hat a Leiden, des is de ungeschminkte Wahrheit. De lassn eahm halt an eingebüldeten Krankn spüln, damit er glaubt, er büldt se sei Krankheit nur ein.‘
Jetzt hat eahm scho hinter mir aner ermahnt, aber mei Nachbar hat ka Ruah gebn und beim Schlussapplaus hat er ma sogar auf de Hand griffn und hat gsagt: , Paschn S net so lang! Wia oft soll se der Kranke no verbeugn, wolln S, dass er an Bluatsturz kriagt?‘ Drauf hab i eahm ane pascht. Von mir kriagt er nix, weil des Uhrnsausen, was er jetzt angeblich hat, is sicher de reinste Einbüldung, Herr Rat.“
Es kam ein Vergleich zustande.