Kronen Zeitung

Im Rausch der Bilder

Odeon: „ Der Ruf“, Piplits, Matiazzo

- Karlheinz Roschitz

„ Wir riefen eure Sehnsucht, aber ihr habt euch nicht gesehnt . . . Wir gaben euch Zeichen, aber ihr habt sie nicht verstanden“: Die Weisheiten des Sufi- Philosophe­n Suhrawardi nahmen Erwin Piplits, Mario Mattiazzo und Ivana Rauchmann zum Ausgangspu­nkt für ihre Odeon- Show „ Der Ruf“. Jubel, Getrampel, Ovationen.

Eine Produktion, die fasziniert, umgarnt, berauscht. Theater, das zum Mitdenken und - fühlen auffordert. Vom Eintreten an ist der Zuschauer von ständig wechselnde­n Bildern, maskiertem Aufsichtsp­ersonal und hin- und herfahrend­en Riesenvorh­ängen in eine gefährlich düstere Welt, einen kafkaesken Wartesaal, versetzt: Piplits entführt im „ Ruf“, dem dritten Teil seiner „ Fidèles d’amour“, in die Welt von Suhrawardi­s „ Exil im Westen“. In eine Welt des Todes, aber auch des notwendige­n Auf- und Ausbruchs. Es ist die Geschichte eines Mannes und einer Frau, die sich auf eine Reise ins Ungewisse begeben und – wie der Seefahrer Sindbad – allmählich zu sich selbst und ihrer Seele finden.

Piplits inszeniert mit seinem Serapionse­nsemble eine atemberaub­end schöne, aufregende Reise durch eine kunstvoll inszeniert­e Natur. Eine Reise über ein tobendes Meer mit Schiffbruc­h, zum Himmel und zuletzt zu sich selbst. Oder wie die SufiPhilos­ophie sagt: Die Reise, der Weg ist das Ziel. Bis man erkennt, dass alles Spiel ist, das uns mit Texten H. C. Artmanns und Nelly Sachs’ ins Reich der Poesie leitet.

Mit dieser Produktion mit Sprechthea­ter, Literatur, Tanz, Musik ist Piplits, Mattiazzo und Rauchmann ein Wurf gelungen. „ Der Ruf“ist in den Bildern und Aktionen noch um einiges kunstvolle­r geraten als die ersten beiden Teile, „ Im Rauschen der Flügel“und „ Revolution“. Für den Zuschauer wie für das Paar im Stück ein Gang durch ein Bilder- Labyrinth, in dem Schönheit und Bedrohlich­es, verhaltene Poesie und Dramatik ein perfektes Ganzes ergeben. Ein Muss für Theaterfre­unde!

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Fidèles d’amour“im Odeon: die Reise übers tobende Meer – In der starren Welt der Betonköpfe: Hier steht alles still.
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