Im Rausch der Bilder
Odeon: „ Der Ruf“, Piplits, Matiazzo
„ Wir riefen eure Sehnsucht, aber ihr habt euch nicht gesehnt . . . Wir gaben euch Zeichen, aber ihr habt sie nicht verstanden“: Die Weisheiten des Sufi- Philosophen Suhrawardi nahmen Erwin Piplits, Mario Mattiazzo und Ivana Rauchmann zum Ausgangspunkt für ihre Odeon- Show „ Der Ruf“. Jubel, Getrampel, Ovationen.
Eine Produktion, die fasziniert, umgarnt, berauscht. Theater, das zum Mitdenken und - fühlen auffordert. Vom Eintreten an ist der Zuschauer von ständig wechselnden Bildern, maskiertem Aufsichtspersonal und hin- und herfahrenden Riesenvorhängen in eine gefährlich düstere Welt, einen kafkaesken Wartesaal, versetzt: Piplits entführt im „ Ruf“, dem dritten Teil seiner „ Fidèles d’amour“, in die Welt von Suhrawardis „ Exil im Westen“. In eine Welt des Todes, aber auch des notwendigen Auf- und Ausbruchs. Es ist die Geschichte eines Mannes und einer Frau, die sich auf eine Reise ins Ungewisse begeben und – wie der Seefahrer Sindbad – allmählich zu sich selbst und ihrer Seele finden.
Piplits inszeniert mit seinem Serapionsensemble eine atemberaubend schöne, aufregende Reise durch eine kunstvoll inszenierte Natur. Eine Reise über ein tobendes Meer mit Schiffbruch, zum Himmel und zuletzt zu sich selbst. Oder wie die SufiPhilosophie sagt: Die Reise, der Weg ist das Ziel. Bis man erkennt, dass alles Spiel ist, das uns mit Texten H. C. Artmanns und Nelly Sachs’ ins Reich der Poesie leitet.
Mit dieser Produktion mit Sprechtheater, Literatur, Tanz, Musik ist Piplits, Mattiazzo und Rauchmann ein Wurf gelungen. „ Der Ruf“ist in den Bildern und Aktionen noch um einiges kunstvoller geraten als die ersten beiden Teile, „ Im Rauschen der Flügel“und „ Revolution“. Für den Zuschauer wie für das Paar im Stück ein Gang durch ein Bilder- Labyrinth, in dem Schönheit und Bedrohliches, verhaltene Poesie und Dramatik ein perfektes Ganzes ergeben. Ein Muss für Theaterfreunde!