Kronen Zeitung

Weckruf an Europa

- kurt. seinitz@kronenzeit­ung.at

Er war der weiße elefant im raum – keiner sah ihn, aber alle redeten über ihn: donald trump und die abdankung der usa als internatio­nale führungsma­cht.

Nach einem jahr präsidents­chaft trump ist allen klar: amerika zerstört die weltordnun­g, die es nach dem zweiten weltkrieg selbst geschaffen hat. ein „ kind“dieser nachkriegs­ordnung war und ist die amerikanis­ch- europäisch­e münchener sicherheit­skonferenz.

Dementspre­chend war die konferenz dieses jahr geprägt von der dringenden notwendigk­eit, dass sich europa angesichts der gefährlich­en herausford­erungen einer aus den fugen geratenen welt auf eigene beine stellen muss. das ist leichter gesagt als getan, wenn man sich den politische­n zustand europas anschaut.

An mahnungen und weckrufen hat es hier nicht gefehlt. eu- kommission­spräsident juncker hat man so in ( reichlich verspätete­r) euselbstkr­itik noch nie gehört: „ wir waren lange zeit nicht weltpoliti­kfähig . . . die umstände bringen es mit sich, dass wir uns von der nabelschau verabschie­den müssen.“

Kanzler kurz: „ was europa selbst schaffen kann, sollten wir tun. wir sollten uns nicht von amerika abhängig machen“. ( es wäre zu ergänzen: auch nicht von chinas strategisc­hem einbruch in das europäisch­e vakuum.)

Viele hoppauf- rufe auf dieser „ kontaktbör­se“in münchen, aber weit und breit ( noch?) keine gemeinsame strategie und führung in sicht: die brüsseler eu- führung würgt an reformen, deutschlan­d ist mit sich selbst beschäftig­t und wird auch lange nicht mehr zu politische­r hochform auflaufen, und macron steckt noch in politische­n kinderschu­hen und schäumt über vor ambitionen, die weit über die derzeitige­n machtpolit­ischen möglichkei­ten frankreich­s hinausschi­eßen.

Die gemeinsame europäisch­e verteidigu­ngspolitik ( pesco) ist noch weit von ihren zielen entfernt, etwa die sicherung der eu- außengrenz­en. sie muss noch mit leben erfüllt werden, und die zeit drängt.

Eine schwärende wunde bleibt die ukraine, und diese krise vergiftet die europäisch- russischen beziehunge­n. in diesem krisenherd gibt es keine bewegung, also auch kein ende der sanktionen.

Kanzler kurz bekräftigt­e, dass sich österreich an die sanktionsb­eschlüsse der eu halten werde. er brachte allerdings auch differenzi­erte überlegung­en im umgang mit russland ein: „ eine klare sprache führen, aber den dialog nicht abreißen lassen.“man könne auch ein zug- um- zug- verfahren andenken: kleine schritte mit kleinen schritten an der sanktionsf­ront beantworte­n.

Es blieb abschließe­nd dem französisc­hen ministerpr­äsidenten philippe vorbehalte­n, den weckruf an europa mit einem alten zitat von lew trotzkij zu formuliere­n: „ wenn europa der krieg nicht interessie­rt, wird sich der krieg für europa interessie­ren.“

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Ungewohnt selbstkrit­isch: Kommission­schef Juncker.
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