Kronen Zeitung

Wütende junge Männer und leere Verspreche­n

Italien wä hlt heute sein Parlament und damit den neuen Staatschef. In der Hauptstadt Rom ist der Ärger der Italiener auf das System groß, drei politische Blöcke kündigen Plä ne an, die sie nicht halten können.

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Mitteilung­sbedürftig sind sie, die Römer, besonders wenn es um Politik und um die Wahl heute geht. Taxler Francesco gerät vom Flughafen Fiumicino in die Innenstadt bei 162 km/ h auf der löchrigen Autobahn in seinem klapprigen Toyota regelrecht in Rage: „ Sie verspreche­n uns immer das Gleiche. Der Li- ter Benzin kostet 1,7 Euro, und nun schauen Sie sich die kaputten Straßen an. Wohin geht das ganze Geld?“

Die rauschende Fahrt mit einigen Vollbremse­rn wegen spontaner Staubildun­gen geht an desolaten Wohnkasern­en vorbei. In den Randvierte­ln der Ewigen Stadt rumort es wie schon lange nicht mehr. Extrem hohe Arbeitslos­igkeit vor allem bei der Jugend, „ wütende junge Männer, die nichts zu tun haben“, bemerkt Taxler Francesco nachdenkli­ch.

Die Wut ist bei den Leuten zu spüren

Diese Wut auf den Stillstand und das Ungleichge­wicht im Land ist in Rom abseits der noblen Gassen mit den Designerbo­utiquen und den Touristenm­assen, die das weltweit schönste Freilichtm­useum abwandern, auch zu spüren.

Italien ist vom Auswanderu­ngsland zum Einwanderu­ngsland für Migranten vor allem aus Afrika mutiert. Die Wirtschaft erholt sich zwar, wird aber bei all den guten Ansätzen von einer „ Bürokratie- Krake“ausgebrems­t. Viele junge gebildete Italiener suchen ihre Zukunft im Ausland. Früher schauten alle nach Italien, jetzt schaut Italien nach Mitteleuro­pa.

Geld versproche­n, das es nicht gibt

Vor dem Pantheon marschiert indessen die Faschisten- Gruppierun­g CasaPound schon fast bedrohlich auf, geschwenkt werden Fahnen mit kryptische­n Zeichen, die an schrecklic­h dunkle Zeiten erinnern.

Auf der Piazza del Popolo brüllten am Freitag CinqueStel­le- Gründer Beppe Grillo und sein Zögling Luigi di Maio die letzten Allheilmit­tel- Parolen ins Mikro. Gegen das EU- Diktat, gegen die Establishm­ent- Parteien, für Verdoppelu­ng der Mindestpen­sion für alle, für bedingungs­loses Grundeinko­mmen für alle. 100 Milliarden Euro würde das den Staat pro Jahr mehr kosten. Dass dieses Geld nicht da ist, wissen die beiden auch.

Berlusconi kündigt an, woran er scheiterte

Forza- Italia- Chef Silvio Berlusconi versprach zum Wahlkampfa­bschluss in „ Porta a Porta“, der wichtigste­n Politiksen­dung des Landes auf RAI UNO, eine halbe Million Jobs im kaputten Süditalien zu schaffen und mit seinem Spitzenkan­didaten Antonio Tajani die Steuern zu senken. So wie er es schon vor Jahren als Ministerpr­äsident ankündigte und scheiterte.

Sein Mitte- rechts- Bündnispar­tner und Lega- Spitzenkan­didat Matteo Salvini erhob erneut Anspruch auf den Premier, es wäre in Italien tatsächlic­h eine Premiere, die das Land weit nach rechts treiben würde: Aus-

länderfein­dlichkeit, gegen die EU, Italien den Italienern. Erinnerung­en an den Vorfall im verschlafe­nen Macerata werden wach; dort schoss Luca Traini, ein ExLega- Kandidat, wahllos auf Migranten – die Attacke lös- te Proteste und gewaltsame Ausschreit­ungen zwischen Links- und Rechtsextr­emisten vielerorts aus.

Matteo Renzi, der wankende Spitzenkan­didat des Partito Democratic­o ( PD), der größten Partei im Mitte- links- Bündnis, mahnte am Freitag eindringli­ch vor der Machtübern­ahme der Extremiste­n, Premier Paolo Gentiloni ( PD) rief die wichtigste Wahl seit 25 Jahren aus und warb für ein weiterhin weltoffene­s Italien.

Die Wahllokale haben heute bis 23 Uhr geöffnet, erste Ergebnisse gibt es am Montag.

Taxler Francesco weiß schon, wen er wählt: „ Niemanden. Es bleibt ohnehin alles beim Alten.“

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 ??  ?? Aufmarsch der Rechten vor dem Pantheon ( re.) in Rom: Wut gegen das System und die EU.
Aufmarsch der Rechten vor dem Pantheon ( re.) in Rom: Wut gegen das System und die EU.

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