Kronen Zeitung

Pfarrer und Friseusen haben montags frei

W ir reisendurc hs Land und stellendie sc hönstenPlä­tze Ö sterreic hs vor. Heute auf einer Sk itour m it Pfarrer W olfgang Meixner üb er dem Tiroler Ac hensee.

- Tobias Micke

Man darf über alles predigen“, sagt Pfarrer Wolfgang Meixner leise schnaufend. „ Nur nicht über sieben Minuten!“– Der weise alte Kirchenwit­z ist allerdings heute außer Kraft gesetzt. Wolfgang Meixner hat ausnahmswe­ise eineinhalb Stunden Zeit, um zu erzählen, was ihm gerade einfällt, bis wir mit Tourenskie­rn den Zwölferkop­f ( 1491 m) über Pertisau am Tiroler Achensee erreicht haben. Und dann noch einmal eine Stunde in der Berghütte bei Apfelstrud­el und Kaffee. So viel Redezeit ist auch für ihn, den begnadeten Zuhörer, eher die Ausnahme.

Von einem Pfarrer wird Gelassenhe­it erwartet

Wolfgang Meixner stammt ursprüngli­ch aus dem Salzburger Pongau und ist Pfarrer unten in Jenbach, von wo sich das Achental nach Norden hin zum spektakulä­ren Karwendelg­ebirge öffnet. Er hat sich das Skitouren- Gehen eigentlich erst mit seiner Berufung nach Tirol angeeignet und geht seitdem im Winter bei jeder Gelegenhei­t mit den Skiern los. „ Das ist leider viel zu selten“, sagt er. „ Denn auch bei uns Pfarrern ist der Arbeitsdru­ck in den vergangene­n Jahren gestiegen. 23 Mitarbeite­r lenken, sich um die Restaurier­ung der Kirche kümmern, Buchhaltun­g erledigen, Predigt vorbereite­n, Hochzeit, Beerdigung, Geburt und unter der Woche für die Menschen da sein, ob gesund, krank, alt oder jung. Außerdem bin ich in unserem Bereich für die Kirchenaus­treter zuständig. Das ist alles zeitintens­iv. Und von einem Pfarrer erwartet man Gelassenhe­it, was auch nicht immer leicht ist. Das muss man einmal ehrlich sagen.“

Wolfgang fügt nachdenkli­ch hinzu: „ Pfarrer- Sein ist schon ein Weg, den man bis zu einem gewissen Grad allein gehen muss. Ich kann vieles beim Herrgott abgeben. Aber auch ein Pfarrer tut gut daran, echte Freunde zu haben, die er Tag und Nacht anrufen kann.“

Mit Wurschtigk­eit kann man nicht arbeiten

„ Da nehm ich mir eben ein paar Sorgen einfach mit auf die Skitour“, sagt Wolfgang lächelnd, „ und lass sie oben am Berg. Leut, die mich kennen, sagen dann manchmal: , Nimmst mi mit?‘“

Wolfgang Meixner war vorher in der Jugendseel­sorge tätig und auch als Reli- gionslehre­r in der Schule. Wie es ihm gelingt, zu seinem teilweise recht schwierige­n Publikum durchzudri­ngen?

Der Pfarrer lacht: „ Mit Widerstand kann man arbeiten, mit Wurschtigk­eit nicht. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Und man darf beim Erzählen und beim Predigen keine bedeutungs­losen Floskeln dreschen. Das kann jeder und versteht keiner. Wenn ich im Krankenhau­s bin, will ich ja auch nicht das Fach- Chinesisch der Ärzte hören, sondern verständli­che Erklärunge­n. Wir haben letztens zum Beispiel in einer Jugendgrup­pe die alten Zehn Gebote übersetzt. Eines der wichtigste­n lautete nachher , Du sollst nicht mobben.‘“

Das richtige sprachlich­e Aufbereite­n war dann auch der Schlüssel, warum Wolfgang im Studium von Medizin ( vorerst heimlich) auf Theologie umsattelte. „ Wir hatten in einer der ersten Vorlesunge­n einen Professor, der hat uns das Zweite Vatikanisc­he Konzil vermittelt, wie einen spannenden Krimi.“

Wenn er am Berg unterwegs ist, greift Pfarrer Meixner aber durchaus gern zu traditione­llen Hilfsmitte­ln: „ Manchmalbe­t ich einen Ro-

senkranz“, gibt er zu. „ Aber nur wenn ich mich fürcht'!“

Die Story vom gefeierten Helden, der abstürzt

Was ihn jetzt vor Ostern bewegt: „ Ich erinner mich aus meiner Kindheit gern an Eierfärben mit Zwiebelsch­alen. Und als Ministrant nicht so gern ans ewig schwere Messbuch, das ich in der Osternacht halten musste. Heutzutage ist es aber natürlich die packende Story vom gefeierten Palmsonnta­gsHelden Jesus. Dann sein Absturz, das Alleingela­ssenWerden, die Dunkelheit. Das hat viele Parallelen ins echte Leben. Aber es bleibt nicht dort stehen. Die Botschaft ist: Es gibt einen, der trägt mein Schicksal mit und sagt: Nicht einmal mit dem Tod ist das Ende erreicht. – Und dann kommt das Licht, der fasziniere­nde Moment, in dem die kleine Kerzenflam­me die Dunkelheit erhellt. Nach dem Tod.“

Dann macht Wolfgang eine nachdenkli­che Pause, während die Sonne endlich durch die Wolken bricht und weit unten den Achensee anstrahlt. Dann sagt er: „ Für mich ist der Himmel nichts anderes als ein neuer Frühling!“

 ??  ?? Wolfgang Meixners Skitouren- Blick auf den Achensee, rechts am Pertisauer Besinnungs­weg und oben mit dem Autor.
Wolfgang Meixners Skitouren- Blick auf den Achensee, rechts am Pertisauer Besinnungs­weg und oben mit dem Autor.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria