Kronen Zeitung

„ Ich tötete sie aus Liebe“

Leni G. litt an chronische­n Schmerzen, konnte kaum essen, galt als Pflegefall. Zuletzt soll sie ihren Mann um Sterbehilf­e gebeten haben. Und er erstickte sie mit einem Polster. Die Geschichte eines Ehepaars, das gefangen war in einer Welt, in der es bloß

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Die letzten Stunden im Leben von Maria Magdalena G. sind genauso verlaufen wie die Wochen, Monate und Jahre davor. Die 66Jährige hatte starke Schmerzen, sie verweigert­e das Essen, sie war depressiv.

„ Sie hatte Angst vor einer Zwangsbeha­ndlung“

Aber am 6. März ist ihre Verzweiflu­ng besonders groß gewesen. Am nächsten Tag sollte ein Arzt zu ihr nach Hause, in ihre 74Quadratm­eter- Wohnung im steirische­n Mariazell, kommen und ihren physischen Zustand begutachte­n.

Eine Spitalsein­weisung schien wahrschein­lich. Denn die Frau wog bei 163 Zentimeter Körpergröß­e bloß noch 34 Kilo.

2014 war sie gestürzt, hatte sich dabei mehrere Knochenbrü­che zugezogen, die nie wirklich verheilten. Jede Bewegung, jede Berührung tat ihr weh, sie wusch sich deshalb nur selten.

Hinzu kam, dass 2017 bei einer Narkotisie­rung ihr Gebiss gebrochen war. „ Wir hatten nicht genug Geld für ein neues“, sagt ihr Ehemann Erich jetzt in Verhö- ren, „ deshalb wurde das alte notdürftig repariert. Und Leni hatte panische Angst davor, dass es völlig kaputt gehen könnte.“Weshalb sie sich keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen traute.

Das Paar, seit 1984 verheirate­t, kinderlos, beide Mindestren­tner; er war einst Koch, sie Kellnerin. „ Wir haben früher prima verdient, aber zu wenig für die Pension gespart.“

Zurück zu den Ereignisse­n vom 6. März: Laut Erich G. sei seine Frau „ in einer extrem traurigen Stimmung“gewesen: „ Denn sie fürchtete sich vor einer Zwangsbeha­ndlung.“

„ Längst“, so der 67- Jährige weiters, „ wussten Leni und ich, dass es für uns keine Hoffnung mehr gab.“Wegen der ständig schlimmer werdenden gesundheit­lichen Probleme der Frau. Wegen der finanziell­en Schwierigk­eiten der beiden. „ Wegen der damit verbundene­n Unmöglichk­eit, Leni privat von Spezialist­en untersuche­n zu lassen.“

„ Sie wollte, dass ihr Drama beendet wird“

Erich G.: „ Und so kam es, dass wir über eine finale Lösung unseres Dramas zu sprechen begannen. Leni sagte, ich solle kein Gift verwenden, weil dann die Schmerzen vor dem Tod fürchterli­ch sein würden. Aber sie redete nie genau über das Wie und Wann. Sie

bat mich, die Sache in die Hand zu nehmen. Sie von ihrem Leid zu erlösen. Auf eine humane Weise, zur richtigen Zeit.“

Nein, behauptet der Mann, er habe „ dazu keinen Plan im Kopf gehabt, bis zuletzt nicht“.

Also sei alles „ wie immer verlaufen“, zunächst, am Abend des 6. März.

„ Meine Frau und ich legten uns gegen 20 Uhr zu Bett, sie nahm ein starkes Beruhigung­smittel, ich las noch ein wenig in einem Roman. Um etwa ein Uhr Früh wurde ich wach. Ich hörte Leni wimmern. Und da wurde mir bewusst, dass ich ihr endlich helfen musste . . .“

Erich G. wartete, bis die 66- Jährige ruhiger wurde, „ als ich merkte, dass sie wieder schlief, nahm ich meinen Polster und drückte ihn gegen ihr Gesicht. Bis sie tot war.“Und danach?

„ Schaute ich sie an, ihre Augen waren geschlosse­n, sie sah aus, als hätte sie ihren Frieden gefunden. Ich legte unser Hochzeitsf­oto auf ihren Oberkörper, die Bibel auf ihr Nachtkästc­hen – und am Boden, neben sie, eine Decke. Dort wollte ich mir mit Rasierklin­gen die Pulsadern aufschlitz­en.“

Doch schon vor dem ersten Schnitt habe ihn der Mut zum Selbstmord verlassen, „ darum ging ich in den Keller und holte eine Flasche Whisky. Ich setzte mich anschließe­nd ins Wohnzimmer und begann mich zu be- trinken. Weil ich dachte, dass ich es im Rausch schaffen würde, mich zu töten. Aber ich schlief ein.“

Am Morgen des 7. März ein Anruf von einer Nichte. Erich G. wurde durch das Läuten munter, er weinte ins Telefon: „ Ich hab die Leni umgebracht.“

„ Ohne Leni hat mein Leben keinen Sinn“

Widerstand­slos ließ sich der 67- Jährige festnehmen, er sitzt nun unter Mordverdac­ht in der Justizanst­alt Leoben in U- Haft.

„ Leni und ich hatten es lange sehr schön miteinande­r“, sagt der Mann, „ aber am Ende bedeutete unser Dasein nur noch Qual für uns beide.“

Abgeschott­et von der Außenwelt; vereinsamt, seitdem die Frau zu einem Pflegefall geworden war. Gefangen in dem Glauben, dass die Zukunft noch mehr Leid bringen würde.

„ Ohne Leni hat auch mein Leben keinen Sinn mehr“, schluchzt Erich G.: „ Aber ich weiß, dass ich irgendwann wieder bei ihr sein darf. Und der Gedanke daran beruhigt mich.“

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Die Tat geschah in der Nacht auf den 7. März in der Wohnung des Paars. In Mariazell.
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 ??  ?? Erich und Leni G. waren seit 1984 verheirate­t. „ Wir hatten“, sagt der Mann, „ lange ein gutes Leben. Aber zuletzt bedeutete es für uns nur noch Qual.“
Erich und Leni G. waren seit 1984 verheirate­t. „ Wir hatten“, sagt der Mann, „ lange ein gutes Leben. Aber zuletzt bedeutete es für uns nur noch Qual.“
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