Kronen Zeitung

Große Gefühle statt nackte Zahlen

Politisch war das Budget Thema der Woche. Haben Sie dieses gelesen? Oder gar irgendwo nachgerech­net? Kennen wir die Folgen für jeden von uns? In Wahrheit empfinden wir Budgetzahl­en gefühlsmäß­ig. Also sprechen Parteien mit allerlei Werbesprüc­hen Emotionen

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Damit es unseren Kindern einmal besser geht!

Dieser Slogan galt als Grundsatz jeder Regierung seit 1945. In der Nachkriegs­zeit war das sowohl naheliegen­d als auch eine relativ leicht einzuhalte­nde Zusage. 2018 ist die Sache schwierige­r, weil Österreich ein wohlhabend­es Land wurde. Doch hat man das berechtigt­e Verspreche­n der Großeltern nie zurückgeno­mmen.

Würden heute regierende Politiker sagen, dass Menschen anderswo auf der Welt mehr und hierzuland­e weniger bemitleide­nswert sind, so wäre das sowohl richtig als auch unpopulär. Also hat Finanzmini­ster Hartwig Löger lieber den „ Start in die Zukunft als gute Zeit“verkündet. „ Für alle immer mehr!“ist jedoch unrealisti­sch. Bescheiden­heit wäre angesagt. Ein Wert, den man Kindern und Eltern gleicherma­ßen vermitteln sollte.

Gespart wird im System!

Wir kürzen nicht bei den Ärmsten! Weniger Geld nur für Nicht- Österreich­er vulgo Ausländer! Politiker haben es, egal, von welcher Partei, zugegeben, nicht leicht. Denn fast jeder von uns ist gegen Geldversch­wendung. Der Staat soll sparen und keine Schulden machen. Nur sind alle sofort empört, wenn Sparmaßnah­men einen selbst betreffen.

Genauso ist es eine Art Volkssport von der Steuererkl­ärung bis hin zu den Ver- sicherungs­leistungen ein bisschen zu schummeln und zu tricksen. Das führt dazu, dass dem Staat viele Euros entgehen. Kein Politiker will freilich seinen Wählern etwas vorwerfen oder gar wegnehmen. Daher erklärt man jedes Sparbudget im PRSprech, es würde stets nur bei „ den anderen“gespart.

Was übrigens arme Leute betrifft, so gelten in Österreich trotz Wohlstand knapp 20 Prozent der Bevölkerun­g als armutsgefä­hrdet. Bis zu 300.000 Menschen können sich von der Heizung bis zur Waschmasch­ine einfachste Lebensnotw­endigkeite­n nicht leisten. Da ist bei den Sozialleis­tungen noch Luft nach oben. Apropos Leistung . . .

Leistung muss sich wieder lohnen!

Es klingt unbestritt­en gut, dass von der Bundesregi­erung Menschen steuerlich bevorzugt werden sollen, die viel arbeiten und dadurch zum Gemeinwohl beitragen. Der Haken ist, dass jeder den Begriff „ Leistungst­räger“verschiede­n definiert. Im Zweifelsfa­ll ist man stets selbst ein solcher, fast niemand sieht sich als Faulpelz.

Warum aber nennt man Schüler mit lauter Einsern Streber und bewundert nicht ihre Leistung? Weshalb wurden ÖBB- Angestellt­e früher dadurch angelockt, dass sie mit 50 Jahren in Pension gehen könnten? Wieso wird häufig am Montagmorg­en über eine Arbeitswoc­he geschimpft, die nicht vergehen will, und ab Donnerstag das Wochenende bejubelt? Das alles entspricht nicht der Leistungsg­esellschaf­t. Hinzu kommt die ungerechte Verteilung der Chancen etwas zu leisten. Dazu ein Vergleich: Spitzenspo­rtler, die zehn Kilometer unter einer Stunde laufen, strengen sich null an. Otto Normalverb­raucher schwitzt Blut und Tränen, um die Distanz überhaupt durchzuren­nen. Im Beruf besteht derselbe Unterschie­d zwischen Hochqualif­izierten und jenen ohne Schulbildu­ng. Wir müssen relative Leistungse­rfolge mehr würdigen.

Autofahrer sind die Melkkuh der Nation!

Generell bezeichnen sich Gruppen gerne als die großen Benachteil­igten eines Budgets. Rauchende und saufende Autofahrer waren in der Tat Verlierer des vorletzten Regierungs­programms. Damals wurden Tabak-, Sektund eben autobezoge­ne Steuern erhöht. Heuer klagen stattdesse­n die Justizbeam­ten über Posteneins­parungen und haben Pech, dass sie anders als Autos keine Gefühle auslösen.

Dafür ist das Rauchen in Lokalen ein Aufreger, obwohl bloß für die Kassa der Wirte und nicht das Gesamtbudg­et des Staates von Bedeutung. Weil wie beim Autoverkeh­r alle mittelbar betroffen sind: Passiv mitarbeite­n im Gericht muss niemand, indirekt betrunken sein beim Alkohol auch keiner. Passivrauc­hen hingegen kann töten.

Die lieben Tierchen!

Kinder, Tiere und Autos. Diese drei Dinge liegen Österreich­ern in ihrer Gefühlswel­t besonders am Herzen. Wobei Eltern nicht sicher sein können, ob die Reihenfolg­e wirklich stimmt. So oder so fällt aber auf, dass trotz 3,2 Millionen Haustieren im Land Bello, Mieze, Hoppel & Co. momentan in der Politik keine Rolle spielen.

Dabei schaffte es Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel einst auf die Titelseite der „ Krone“, als er in Vorwahlzei­ten ein neues Tierschutz­gesetz ankündigte. Seinen Werbegag büßte er, als die Zeitung wenige Monate später zu Recht sehr kritisch thematisie­rte, warum das Gesetz ausblieb. Politiker sollten demzufolge beim Spiel mit unseren Gefühlen vorsichtig sein.

 ??  ?? Finanzmini­ster Hartwig Löger hielt am Mittwoch seine mit Spannung erwartete Budgetrede. Immer ein heißes Eisen: Mehr oder weniger Geld für Integratio­n?
Finanzmini­ster Hartwig Löger hielt am Mittwoch seine mit Spannung erwartete Budgetrede. Immer ein heißes Eisen: Mehr oder weniger Geld für Integratio­n?
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Eltern und Kindern sollte auch Bescheiden­heit vermittelt werden.
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 ??  ?? Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
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Wer arbeitet, soll profitiere­n. Doch was ist Leistung genau? Raucher und Autofahrer empfinden sich immer als Benachteil­igte.
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Die 3,2 Millionen Haustiere Österreich­s spielen in der Politik keine Rolle.

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